788. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

Da sich in Mitteleuropa eine neue Messerkultur entwickelt hat, ist interessant zu verfolgen, was die Industrie an Stichschutzwesten bietet. Eine Polizeiweste im Gewicht von 2,1 Kilogramm ist schon für knapp unter hundert Euro zu haben, Lieferung am nächsten Tag. Noch sind diese aktuellen modischen Accessoires nicht in den Modezeitschriften und bunten Magazinen zu finden, wohl aber in Massen bei Google. Wo es auch detaillierte Erfahrungsberichte und wertvolle Tipps aus der Praxis für die Anpassung der eingearbeiteten Metallplatten an die jeweilige Körperform (durch Biegen, nicht Knicken!) gibt sowie für Pflege und Reinigung.

 

Leute schütteln den Kopf über Strafurteile, die sie für viel zu milde halten. So verständlich das ist, sie sollten sich einmal in die Situation der Richter oder Richterinnen versetzen. Die machen sich mit einem härteren Urteil einen Familienclan oder eine ganze Volksgruppe zu Feinden, werden aber mit vollem Namen und Bild in der Presse vorgeführt und müssen Tag und Nacht um das eigene Leben und das der Familie zittern.

 

Ein weiterer Sieg der Political-Correctness-Diktatoren: Der in Frechen bei Köln ansässige Karnevalsverein „Frechener Negerköpp“, gegründet 1978, hat jetzt der Kritik nachgegeben und sich umbenannt in „Wilde Frechener“. Mit der doppelten Negation wild und frech klingt mir das positiv und sehr zahm, wenn ich es einmal mathematisch deuten darf.

 

Amazon ist jetzt vom Landgericht München nach einer Klage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen mit Androhung eines Bußgeldes in Höhe von 250.000 Euro dazu verurteilt worden, seine Produkte verständlich zu kennzeichnen. An dieser Verständlichkeit habe es im konkreten Fall gefehlt, weil die Bezeichnung eines angebotenen Smartphones als „refurbished“ dem deutschen Durchschnittsverbraucher nicht vertraut sei. – Ja, der deutsche Michel, erst halbwegs amerikanisiert.

 

Jetzt las ich, dass irgendwo Spenden für einen Flohmarkt erwünscht seien. Aber bitte, so hieß es, keine Kleidung, Schuhe und Bücher. – Nun weiß ich, dass ich meinen Beruf wechseln oder auswandern muss.

 

Wir werden immer emsiger in der Gestaltung unserer Freizeit. Schon kann man von Rastlosigkeit sprechen. Denn für den Normalbürger geht es inzwischen um doppelt so viele Ereignisse pro Woche als vor zwanzig Jahren. So meldet es der Freizeit-Monitor einer großen Zigarettenmarke. Fernsehen, Radio, Telefon, Smartphone, Computer rangieren weit vor sozialen Kontakten der untechnischen Art. Bücherleser werden immer seltener und damit zu herausragenden Figuren. So nähern wir uns den Anfänger der deutschen Literatur, als es hieß: „Ein ritter so geleret was, daz er an den buochen las.“ Dieses besonders ehrende Etikett des Bücherlesers trug der um 1200 lebende Dichter und Minnesänger Hartmann von Aue.

 

Habe jetzt die Antwort auf etwas gefunden, was mir noch nie eine Frage war: Warum hat eine Fußballmannschaft immer elf Spieler? Das hat nichts mit dem Elferrat vom Kölner Karneval zu tun, kommt vielmehr aus England, wo Studenten die ersten Fußballbegeisterten waren. Mitte des 19. Jahrhunderts fasste die Universität von Cambridge das Spiel in feste Regeln. Und weil sich damals immer elf Studenten einen Schlafsaal teilten und die Zimmergenossen sich gern als Elfer bezeichneten, wurde das ein Spiel von Schlafsaal gegen Schlafsaal. – Manchmal hat man ja heute noch den Eindruck.

 

In England sind Fremdsprachen in der Schule seit 2004 nur noch bis zum 14. Lebensjahr Pflichtfach. Das und die Geschicklichkeit der Schüler, sich leichtere Fächer auszusuchen, hat inzwischen landesweit zur weitgehenden Abschaffung des Deutschunterrichts geführt. So kontrastiert die traditionelle Arroganz der Angelsachsen, denen ihre Sprache zur Beherrschung der Welt genügt, immer stärker mit den Erfordernissen einer modernen Welt. Und sie reagiert noch nicht auf die Tatsache, dass Englisch demnächst in der Europäischen Union, dem Haupthandelspartner, nur noch die Sprache einer winzigen Minderheit von Iren und Maltesern sein wird. 

 

Die deutschen Verbraucher gelten als die Verteidiger der Barzahlung. Sie wehren sich gegen die Geldinstitute, die ihnen den Gebrauch von Kreditkarten und Geldautomaten aufzwingen. Weil sie wissen, dass es nur darum geht, den Verbrauchern damit mehr Geld abzunehmen und sie in ihren Lebensgewohnheiten, ihren Bedürfnissen und ihrem Kaufverhalten total auszuspionieren. Der deutsche Michel – zum Glück erst halbwegs für dumm verkauft.

 

Jetzt bin ich schon im Museum. Deshalb bitte den Termin notieren! Am Samstag, dem 22. September 2018, lese ich im Rahmen der Veranstaltung „4. Literatur-Herbst Heidelberg“ um 15.00 Uhr im Kurpfälzischen Museum Heidelberg, Hauptstraße 97, aus meinem historischen Heidelberg-Krimi „Tödliches Einmaleins“ über den Hofnarren Perkeo als Ermittler wider Willen. Eintritt frei.

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