773. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

Wenn ich im Wirtschaftsteil der Zeitung Ausdrücke lese wie „Aktien im freien Fall“ oder „viel Kapital verbrannt“ oder „die Kursverluste sind schmerzhaft ausgefallen“, frage ich mich: Warum schreiben Journalisten wider besseres Wissen solchen Unsinn? Wissen sie doch so gut wie ich, dass jeder herabgesetzte Börsenkurs bedeutet: Da haben Leute verkauft, und zwar an andere Leute, die gekauft haben. Und je weniger Geld die Verkäufer bei dieser Transaktion bekommen haben, umso günstiger haben die Käufer zugreifen können. So halten sich Schmerz und Freude im Gleichgewicht.

 

Die Metaller haben für ihre Forderung nach mehr unbezahlter Freizeit gestreikt, und das mit Erfolg. Also Freizeit wichtiger als Geld? Da verstehen die Genossen um Scholz und Nahles die Welt nicht mehr und überlegen, ob sie umfirmieren sollten: RTLTUI statt SPD. Weil gerecht und solidarisch offenbar nicht so zugkräftig ist wie spannend und erholsam.

 

Unternehmen dürfen vom Kunden keine Extragebühren verlangen, wenn der mit Karte zahlt. So werden die Leute in den Medien beruhigt. Dass die Journalisten immer mal wieder einen Beitrag zur Förderung des Kartenzahlens schreiben, ist aber nicht nur Dummdreistigkeit, solche Public-Relations-Beiträge kosten auch Geld. Das ist in den Preisen aller Waren schon eingerechnet. Genau wie der Aufpreis, den das Zahlen mit Karte verursacht durch die unnötige Zwischenschaltung eines Geldinstituts, das abkassiert. Was Dümmeres als das Zahlen mit Karte gibt es nicht. Aber das ist uns ja auch von den Amerikanern aufs Auge gedrückt worden.


Kein 2000. Todestag zu feiern. Dabei ist einer der bedeutendsten Dichter der Antike, nämlich Ovid, der Schöpfer von unsterblichen Werken wie „Liebeskunst“ und Metamorphosen“, jetzt vor 2000 Jahren elendig zugrunde gegangen. Vom römischen Kaiser Augustus wegen literarischer Freizügigkeit und aus unbekannt gebliebenen anderen Gründen an die Küste des Schwarzen Meeres verbannt, in das Bergwerksnest Tomis, aus dem viel später die Stadt Constanza entstand. Man weiß weder wann und wie gestorben noch wo begraben. Immerhin haben die Rumänen ihrem Ovid ein riesiges Denkmal gesetzt. Das ehrt sie.

 

Das Oberste Verwaltungsgericht Italiens in Rom hat der Technischen Universität Mailand untersagt, alle Studiengänge nur noch in Englisch anzubieten, weil damit die einheimischen Studenten zu Fremden im eigenen Land gemacht würden. Die Landessprache darf nicht durch ein fremdsprachliches Monopol ausgehebelt werden. Fremdsprachliche Studiengänge dürfen nur ergänzend angeboten werden. In Deutschland, wo sich an vielen Hochschulen ein ähnlich überzogener Drang zu sprachlicher Unterwerfung austobt, steht ein höchstrichterliches Verbot immer noch aus.

 

Berliner Sprachwissenschaftler machen sich jetzt mit einem neuen englischen Begriff interessant, den sie als den Anglizismus des Jahre 2017 feiern: Influencer. Damit sind Leute gemeint, die – wie ich – durch ihre weite Präsenz in den sozialen Medien in der Lage sind, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Bisher nennt man die einfach Meinungsbildner. Da weiß jeder, was gemeint ist, und man braucht dafür nicht sein Brett vor dem Kopf mit einer englischen Bezeichnung zu bekleben.

 

Manchmal erlaubt die Sprache sich Scherze. So mit den alten Wörtern Wicht und Wichtel, die für Kobolde und Zwerge stehen und meist abwertend gemeint sind. Sie sind dabei auszusterben, hinterlassen uns aber tückischerweise, ob stammverwandt oder nicht, jedenfalls gleichlautend, ein Wort, das für das genaue Gegenteil steht: wichtig.

 

Ein Frachtkahn mit verdeckter Ladung, der tief eingetaucht ins Wasser sich schneckeneifrig den Rhein hinauf schiebt, in der Nacht wie eine Vision vor meinem Fenster. Der Schiffer nur zu erahnen, der im stockfinsteren Führerhaus auf den Radarschirm starrt. Doch unter ihm sind backbord vier Fenster der Wohnung hell erleuchtet. Dass ich gleich hinüberspringen und mitfahren möchte. Hinein in die Baseler Morgensonne. Dann sehe ich im letzten Fenster das bläuliche Flackerlicht des Fernsehers. Die Schiffersleute, sie sind also da, auf Stromkilometer 423, und doch ganz woanders, er hier – unsichtbar – und sie irgendwo – nicht feststellbar.

 

Vor 25 Jahren war ich als Mitglied einer Städtefreundschaft-Delegation Gast bei Boris in Simferopol auf der Krim. Daraus entstand mein Buch „Krim Intim“. Jetzt schreibt Boris mir, dass er als Betonfachmann bei einer russischen Firma arbeitet, die Beton für Bauten aller Art liefert, von einem Chef geführt, der gut Deutsch spricht, in München studiert hat und gerne Kontakt zu deutschen Bauunternehmern hätte. Kann ich nur so weitergeben, weil ich nicht vom Bau bin. Aber ich habe die eMail-Adresse und Telefonnummer der russischen Firma. Und von dem sehr ungewöhnlichen Krim-Buch habe ich auch noch einige Exemplare.

Cover Krim Intim

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