758. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

In Hamburg haben beim Treffen der führenden Wirtschaftsländer Protestler zahlreiche Autos abgefackelt. In Frankreich waren es landesweit fast 900 Autos, die am französischen Nationalfeiertag in Flammen aufgingen, was dort schon Tradition ist. So äußert sich hier wie dort die Wut des Kleinen Mannes auf den Kapitalismus in Aktionen, die vor allem den Absatz der Autoindustrie fördern. Damit erweisen sich diese heißen Attacken als ein Bildungsproblem: Die Protestler wissen weder, was Kapitalismus ist, noch was alles das Brutto-Inlandsprodukt des verhassten Landes steigert. Es müsste also entschieden mehr in die Grundschulen investiert werden – und in die Ausbildung der Grundschullehrer.

 

 

In diesem Jahr arbeiten wir erst ab dem 19. Juli in die eigene Tasche. Alles, was bisher verdient wurde, war für die Steuer und diverse Abgabenkassen. Dieser vom Steuerzahlerbund berechnete so genannte Steuerzahler-Gedenktag lag im vorigen Jahr noch etwas näher an der Jahresmitte: der 16. Juli 2016. Die Belastung der Bundesbürger wird also ungeniert weiter über die 50 % ihres Arbeitseinkommens hinaus gesteigert.

 

 

Wer Martin Luther als einen unserer wichtigsten Sprachschöpfer verehrt, kann sich nur noch wundern über die Evangelische Kirche Deutschlands. Weil die sich ausgerechnet im Lutherjahr 2017 mit Anglizismenbegeisterung (sie nennt ihr kostenloses W-Lan godspots) und mit Schulmeisterei an klassischen deutschen Liedtexten hervortut, nämlich im Liederbuch des Deutschen Evangelischen Kirchentags 2017. Dort soll es genderneutral statt „So legt euch denn, ihr Brüder“ jetzt heißen: „So legt euch, Schwestern, Brüder“, und in dem Lied „Der Mond ist aufgegangen“ soll „und unsern kranken Nachbarn auch“ ersetzt werden durch „und alle kranken Menschen auch.“ Der sprachgewandte Martin Luther war offensichtlich in der Evangelischen Kirche eine absolute Ausnahmeerscheinung.

 

 

Die Neue Zürcher Zeitung hat meinen Wortschatz mit einigen sehr schönen Übernahmen aus dem Schweizerdeutschen bereichert: Mein Fahrrad heißt Velo (steht zufällig auch auf dem Rahmen), jeder Atemzug ist ein Schnauf, und wenn ich mich mit einer Sache nicht weiter beschäftigen will, dann schubladisiere ich sie einfach.

 

 

Schöne neue Welt. Seit Anfang dieses Monats gilt in Deutschland die von der EU geforderte Obergrenze von 10.000,- Euro für eine unkontrollierte Bargeldzahlung. Bei höheren Bargeldbeträgen muss der Zahlende Personalausweis oder Reisepass vorlegen und es hinnehmen, dass der Vorgang notiert wird. Das ist neben der Propagierung der Kartenzahlung der nächste Schritt hin zum gläsernen Bürger. Die dafür gegebenen Begründungen wie Schwarzgeldentdeckung und Verhinderung von Rauschgifthandel sind nur vorgeschoben. Der Staat und die ihn tragenden Banken sowie Interessenvereinigungen wollen in Wahrheit jederzeit wissen, wer wann und wo für was wieviel Geld ausgegeben hat, um uns noch besser an der kurzen Leine halten und in unserem Konsumverhalten manipulieren zu können.

 

 

Der BER und sein Alleinstellungsanspruch. Für den irgendwann kommenden Berliner Großflughafen soll der Flughafen Tegel geschlossen werden. Da bekämpfen sich mehrere Flughafengesellschaften. Und das, obwohl Berlin gern eine Metropole wie London und Paris sein möchte. Dass dazu auch mehr als ein einziger Flughafen gehört, ist noch nicht angekommen. Hat man in Berlin wirklich noch nicht mitgekriegt, dass es Witterungsbedingungen oder Terrorwarnungen geben kann, die ein Ausweichen auf den Nachbarflughafen erforderlich machen?

 

 

Der Deutsche Bundestag hat ein Gesetz zur Rehabilitierung und Entschädigung der wegen Homosexualität Bestraften beschlossen. Eine notwendige Regelung, weil sich die öffentliche Meinung zur Homosexualität in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert hat. Jetzt darf man gespannt sein, wie in den vielen anderen Fällen der grundlegenden Änderung der öffentlichen Meinung und der deswegen erfolgten Abschaffung eines Straftatbestandes die Rehabilitierung und Entschädigung geregelt wird, beispielsweise bei Abtreibung, Kuppelei, Ehebruch, Desertion, Majestätsbeleidigung und Erregung öffentlichen Ärgernisses. Deswegen Bestrafte bilden Opfergruppen, hinter denen nicht so eine starke Lobby steht wie hinter den Homosexuellen.

 

Wenn es im Gespräch um den Brexit geht, höre ich immer öfter die Forderung: Man sollte den Abschied der Briten dazu nutzen, endlich auch die Absurdität zu beenden, dass in der EU bei allen Veröffentlichungen die Sprache der größten Volksgemeinschaft, nämlich das Deutsche, als drittrangig hinter Englisch und Französisch abgetan wird. Die Nazizeit und der verlorene Krieg liegen jetzt soweit zurück, dass die heutigen Bewohner Deutschlands und Österreichs – und vor allem ihre Politiker – nicht länger gesenkten Hauptes und in Sack und Asche gehen müssen.

 

Vor einigen Tagen überraschte mich Franz Westner, der Inhaber des Salon Literatur Verlags in München, in dem 2008 mein Roman „Der Hund von Treblinka“ erschienen ist, mit der Meldung: Ein Verlag in Luxemburg bringt jetzt eine Sonderausgabe dieses Buches heraus, und die ist bereits im Druck, in Israel. Daraufhin habe ich mein Buch noch einmal gelesen und bin erschüttert. Das ist sicher das Stärkste, das ich je geschrieben habe. Ich habe immer viel gelesen, und zu rund hundertfünfzig Büchern habe ich ausführliche Rezensionen veröffentlicht, doch habe ich kein Buch gelesen, das so inhaltsschwer und so treffsicher im Ausdruck ist, so ergreifend  wie „Der Hund von Treblinka“. Jetzt meinte mein Verleger Franz Westner, „Der Hund von Treblinka“, sei für ihn einfach ein Glücksfall.  Treblinka

 

 

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