754. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

Die Geburtenziffer in Deutschland ist auf 1,5 Kinder je Frau im gebärfähigen Alter angestiegen. Das ist der höchste Wert seit der Wiedervereinigung. So die Erfolgsmeldung in der Zeitung. Das scheint mir ein typischer Fall von irreführender Meldung zu sein, weil das Eine nichts mit dem Anderen zu tun hat. Richtig hätte es wohl heißen müssen: Das ist der höchste Wert seit Beginn der Masseneinwanderung nach Deutschland.

Cannes ist Film, so heißt es voller Stolz. Und das stimmt sogar mehr als erwünscht. Während des diesjährigen Filmfestivals von Cannes lieferten rund 500 Überwachungskameras die bisher größte Auswahl an spannenden Filmen der Spezies Aktual Reality, die allerdings sämtlich außer Konkurrenz liefen, nur für einen nach strengen Maßstäben ausgesuchten Zuschauerkreis zugänglich, was ihren besonders hoch anzusetzenden Wert jedoch nicht minderte.

Geistig sind wir längst in der Gartenlaubenromantik des neuen Biedermeier angekommen. Jetzt schwappt aus den USA zur aktuellen Mode das passende Utensil zu uns herüber: Als Rückzugsräume der Frau zum Lesen, Kunsthandwerkeln oder Handarbeiten gepriesen, warten fertige Gartenhäuschen in den Baumärkten auf Käuferinnen.

Nicht nur bei uns und in Österreich machen Funktionäre der Wissenschaften und ihrer Institutionen eifrig in Verdrängung der deutschen Sprache zugunsten des Englischen. Immer mehr Vorlesungsreihen nur noch in Englisch, ohne Rücksicht auf Kultur, Tradition und bessere Verständlichkeit. In Italien musste jetzt sogar das Verfassungsgericht mit einer Entscheidung eingreifen, die dazu verpflichtet, bei Lehrveranstaltungen den Vorrang des Italienischen zu respektieren. Wir sollten das den Italienern abgucken!

Börse ist ein Platz zum Geschäftemachen. Genau so hat der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Börse, Carsten Kengeter, seinen Job aufgefasst und für schlechte Arbeit viel gutes Geld eingesackt. Mit Super-Honoraren für all seine Rechts- und Kommunikationsberater hat er viele weitere Millionen Euro in den Sand gesetzt. Das ist das Tröstliche an der Börse: Man kann noch so viel falsch machen, irgendwem kommt das doch zugute.

Vor 65 Jahren hatten wir zuhause noch kein Telefon. Viel zu teuer. Jetzt haben wir neben dem Festnetzanschluss ein Smarty und zwei Handys, die aber so gut wie nie an sind. Was weniger eine Sache der Einsicht ist, muss ich zugeben, als die Macht der Gewohnheit – und das Bedürfnis nach Ruhe zum Denken.

Im Fernsehen „Terra X“ gesehen und den Hinweis gelassen hingenommen, dass alles aus den wenigen chemischen Elementen besteht, die es gibt. Die uns umgebende Natur genauso, wie wir selbst und unsere Erde mit ihren Meeren und ihrer Lufthülle. Doch dann hieß es, dass die Wissenschaften mit allen Kräften auf der Suche nach dem Übergang von unbelebter Materie zu Leben seien. Da fiel mir die Zen-Philosophie ein, die sich darüber lustig macht, wie das westliche Denken, anders als das östliche Denken, immer in der Alternativvorstellung stecken bleibt. Bei uns ist alles entweder so oder das Gegenteil, weil wir alles aus seinem Gegenteil heraus definieren. Das ist simpel, aber bisher erfolgreich. Da liegt die Frage nahe: Ist unbelebt und belebt vielleicht so eine Alternative, die uns in die Irre führt? Beim Gegensatzpaar Mann und Frau sind wir schon ins Schwimmen geraten. Bei dem Gegensatzpaar Mensch und Tier wollen wir lieber weghören. Die Fernsehsendung lässt mich nun fragen: Ist der Vulkan und ist der Fluss, ist das Meer und ist der Wolkenhimmel wirklich nur unbelebte Materie? Sind das nicht Konglomerate von Elementen, die miteinander und gegeneinander arbeiten und deshalb genauso als Leben bezeichnet werden können, wie der Mensch als ein bloßes Konglomerat von Elementen gesehen werden kann, weil er der Steuerung durch das Miteinander und Gegeneinander der in ihm enthaltenen Elemente unterworfen ist? Das hieße dann, dass wir durch den Verzicht auf unser simples westliches Alternativdenken die angeblich so dringliche Frage nach dem Übergang von Unbelebtem zu Belebtem als unsinnig abtun könnten. Dummerweise wären wir damit aber auf die Alternative von westlichem und östlichem Denken hereingefallen.

In Moskau war ich beim Einstieg in die Aeroflot-Maschine nach Frankfurt stolz darauf, dass ich den in kyrillischen Zeichen geschriebenen Namen des Flugzeugs, der am Airbus-Rumpf stand, lesen konnte und dass es sich dabei um einen Schriftsteller handelte, nämlich um den 1968 im Alter von 76 Jahren in seiner Heimatstadt Moskau gestorbenen Konstantin Paustowskij. Auf dem Drei-Stunden-Flug hatte ich dann Zeit genug, mich von der Information beeindrucken zu lassen, dass Aeroflot 157 Maschinen besitzt, kleinere von der russischen Firma Sukhoi sowie größere von zwei verschiedenen Typen Boeing und von vier verschiedenen Typen Airbus. Doch daheim war ich noch am übernächsten Tag halbtaub, weil der Druckausgleich in der Airbus-Kabine defekt war, wogegen auch eifriges Schlucken nichts genützt hatte. Ach, so ist das, verstand ich. Nicht ohne Folgen schreibt man den Namen eines Dichters an ein Flugzeug. Der Mann, der es wie kein zweiter geschafft hat, die Stille beredt werden zu lassen, hat es still werden lassen um seine Fluggäste. Damit wir umso intensiver nach innen lauschen. Das hier als Hinweis auf die Impressionen der Russlandreise, von der ich vor zwei Wochen heimgekehrt bin. Die sind jetzt zusammen mit einigen Fotos im NETZINE zu finden, in der Rubrik Vermischtes unter Reisebilder.

 

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