748. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

Russlands Verteidigungsminister – pardon, habe seinen Namen vergessen – erwähnte jetzt voller Stolz, die militärischen Eingriffe in Syrien hätten sich gelohnt. Denn es seien damit 162 Waffensysteme in der Praxis getestet worden. Ein berechtigter Hinweis auf die Abhängigkeit der Industrie von den Einsatzmöglichkeiten ihrer Produkte im Kriegseinsatz. Und dahinter steht das Argument der Arbeitsplatzförderung, in dem Fall sogar doppelt: Einmal im Heimatland durch die Produktion der todbringenden Waffensysteme, zum anderen im „Besuchsland“ bei den zu Tode gebrachten Menschen durch den Wegfall von Arbeitsplatzbedarf. – War wohl richtig, den Namen des Ministers zu vergessen.

 

 

Das Wissen darum, dass für uns Menschen immer das Ich im Mittelpunkt steht, bei jedem Menschen, ausnahmslos, führt dazu, dass wir uns alle – nein, im Gegenteil, es führt dazu, dass wir zwischen uns immer mehr Mauern und Zäune errichten, immer massiver und immer höher und in immer mehr Weltecken. Und das ist nicht absurd, vielmehr konsequent. Da schäme sich, wer kann!

 

 

Der ungewöhnliche Kampf von Donald Trump gegen die Presse erinnert mich daran, wie irritiert ich war, als ich in den achtziger Jahren bei meiner Arbeit in der Westberliner Regierungszentrale erlebte, wie die führenden Politiker in panischer Angst vor der Presse lebten. Ich fand es lächerlich, nur immer zu hören: „Das darf auf keinen Fall bekannt werden“ oder „Das muss aber ganz dezent …“. Trumps ruppiger Umgang mit den Medien zeigt, wie sehr er die Presse als vierte Gewalt im Staat ernst nimmt.

 

 

Ausgerechnet der Auftritt von Johannes Gutenberg bei der großen Mainzer Karnevalssitzung war die Gelegenheit, die Meinungsfreiheit zu feiern. Da wurde sie genüsslich wahrgenommen. Aber eben nur da, wird mancher kritteln. Jetzt weiß ich wenigstens, wozu wir Karneval haben, könnte man auch sagen.

 

 

Demokratie ist eine bewährte Methode der Mitwirkung des Volkes an der Regierung, die dem Volkswillen zum Erfolg verhelfen soll. Neuerdings mehren sich leider die Fälle, in denen Demokratie nicht zu diesem Ziel führt. Das Kernproblem der Demokratie war von Anfang an, dass die Entscheidungen von den im Volk herrschenden Meinungen abhingen, diese Meinungen aber beeinflussbar waren. Schon Hitler hat diese Beeinflussung mit technischen Mitteln – der berühmte Volksempfänger in jeder Wohnung – zu steigern gewusst. Heute dienen raffiniert optimierte Beeinflussungsmethoden als Entschuldigung für Entscheidungen des Volkes gegen seine Interessen. Ein Versagen des Volkswillens, heißt es dann als Erklärung. Neueste Beispiele für diese Demokratie-Pannen sind die Brexit-Entscheidung in Britannien und die Präsidentenwahl in Amerika.

 

 

Klar, Aktien der großen, gewinnträchtigen Unternehmen sind der sinnvollste Einsatz von Ersparnissen zur Alterssicherung. Aber weil das Aktiensparen den Bürgern einen Vermögensaufbau unabhängig von den Parteiversprechungen ermöglicht, unterdrückt man es in Deutschland – anders als in unseren Nachbarländern und den USA. Erst hat unsere Regierung die Besteuerung von Aktiengeschäften, die mit schon versteuertem Geld geschehen, so angehoben, dass der brave Rentner ebenso hart wie der Profi-Zocker zur Ader gelassen wird, dann hat die Regierung es tatenlos hingenommen, dass die wichtige Institution Deutsche Börse trotz Brexit mit der Londoner Börse fusionieren und das außerhalb der EU stehende London dann der Sitz der neuen Großbörse sein sollte. Ein Ausverkauf, der eindeutig gegen die Interessen der deutschen Bürger ist, aber die werden mit Krimis und Sport und Neuwagen sowie Streit um Kopftücher so eingewickelt, dass sie nichts merken. Ein Glück, dass jetzt wenigstens Brüssel unsere Interessen wahrnimmt und den miesen Deal verhindert.

 

 

Rund 10 000 Schlaraffenfreunde, 750 Krimi-Autoren des Syndikats und dazu 427 FB-Freunde, das ergibt bei Facebook eine tägliche Leseaufgabe in Form von Geburtstagsglückwünschen, die jeder jedem sendet, von mindestens einer halben Stunde. Tag für Tag. Tut mir leid, aber da kann ich nicht mithalten. Ich gratuliere hiermit pauschal und nur ein einziges Mal und danke jedem, der meinen und seinen Geburtstag einfach vergisst.

 

 

In den Niederlanden gibt es den „Bund gegen das Fluchen“. Dieser wohlmeinende Verein, der jetzt hundert Jahre alt wird, hat heute 35.000 Mitglieder. Das sind weit mehr als das Niederländische an Flüchen zu bieten hat. Verdammt noch mal, das nenne ich eine Erfolgsstory.

 

 

Ich kann nicht anders, ich muss immer wieder nach meinem neuen Buch „Hohe Zeit“ greifen und darin lesen, lesen, lesen. Nicht nur, weil der Job als Reiseleiter, den ich 1958 bekommen hatte, für mich die ideale Art der Finanzierung meines Studiums war. Ich durfte mitmischen beim Start der Westdeutschen in den Massentourismus. In dem Buch geht es ja mal nicht um eine beliebige schöne Geschichte, die sich ein Autor ausgedacht hat. Es geht um minutiös geschilderte Reisen in ganz Europa, die in dem glücklichen dritten Quartal des 20. Jahrhunderts stattgefunden haben, oft unter haarsträubenden Umständen, die heute gar nicht mehr vorstellbar sind. Das Buch ist dadurch authentisches Material für die Tourismusforschung, weshalb es sofort in deren Fachbibliotheken aufgenommen wurde. Für den Reiseleiter war das wirklich eine hohe Zeit, die zum Roman seines Lebens wurde. Aber neben den vielen Sexabenteuern und aller Hochstimmung gab es tausend Schwierigkeiten, Pannen und Gefahren. Dabei zweimal nur knapp dem Tod entwischt. Und viel zu oft stand ich als der Dumme da oder als der treulose Kandidat, der ich nie sein wollte. Bin gespannt, wie viel Verständnis die Leserinnen und Leser für diese hautnah erlebte und nach den alten Unterlagen wahrheitsgetreu geschilderte Kulturgeschichte des frühen Massentourismus aufbringen. Bitte, schreibt mir, wie es euch gefallen hat!

Hohe Zeit Cover

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