736. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

Die Briten haben sich für den Ausstieg aus der EU entschieden, ihre Sprache aber, die dann in Europa nur noch die Sprache einer Minderheit ist, nämlich der Iren und – als Zweitsprache – der Malteser, soll in der EU beherrschend bleiben. So die wahrhaft salomonische Brüsseler Entscheidung.

Die jetzt aufgekommene Forderung, den Kauf eines Elektrofahrrades genauso mit Steuergeld zu subventionieren wie den Kauf eines Elektroautos, ist so absurd, dass sie schon fast genial wirkt. Gerechtigkeit für die Fahrradindustrie! Wobei unterschlagen wird, dass die Prämie beim E-Auto für das Vermeiden von giftigen Abgasen gezahlt wird, dass sie beim E-Fahrrad aber für die Vermeidung von gesunder Körperbewegung gezahlt würde.

Dass auch Faulheit förderlich sein kann, sehe ich jeden Abend an den vorüber fahrenden Radlern. Weil in den letzten Jahren vor allem Kinder und Jugendliche zu faul waren, ein wenig mehr Tretleistung für den Dynamo zu erbringen, fuhren sie lieber dunkel durch die Nacht. Die akute Lebensgefahr war für sie kein Gesichtspunkt. Also musste die Industrie sich eine automatische Fahrradbeleuchtung einfallen lassen – zum Schutz unserer kraftlosen Nachkommenschaft. Hoch lebe die Faulheit!

Demokratiedämmerung? Im Extrem zeigt sie sich im Moment in Spanien, wo man offensichtlich gar keine Regierung mehr akzeptieren möchte und wo es der Wirtschaft prompt viel besser geht. Aber auch in den anderen modernen westlichen Gesellschaften ist das Vertrauen in die politische Führung weitgehend verschwunden. Durch die Totalität der Kommunikation ist für jeden unübersehbar geworden, dass die Politik der Regierungen viel zu oft das genaue Gegenteil der Volksmeinung darstellt. Dass die Regierenden durch ihre bessere Informiertheit in der Lage sind, das Optimale zu tun, wird nicht mehr geglaubt. Zu viele Beispiele von schnödem Eigennutz oder Parteiinteresse oder Dummheit haben diesen Glauben zerstört. Doch ist die Einführung von mehr Volksabstimmungen kein Heilmittel, weil dadurch nur Entscheidungen zustande kommen, die von primitiven Instinkten bestimmt sind oder von übermächtigen Medien. Also was?

Regierungen stützen sich zur Rechtfertigung ihrer Politik gern auf Umfrageergebnisse von Meinungsforschern. Und wenn sie die Augen gehen lassen, finden sie rechts oder links von sich Meinungsforschungsinstitute, die passend sind. Die vielen Unsicherheitsfaktoren der Meinungsforschung, die aus der Frageformulierung und dem zu kleinen Sample resultieren, bleiben der Öffentlichkeit verborgen. So braucht man sich nicht zu wundern, dass die Bundesregierung sich jetzt zur Absegnung ihrer Open-Door-Flüchtlingspolitik ausgerechnet auf Erhebungen eines Instituts der Evangelischen Kirche Deutschlands stützt, wenn das auch schon sehr nach Kirchenasyl riecht. Hauptsache: Eine mehr als achtzigprozentige Zustimmung.

Der Verein Deutsche Sprache beschreitet jetzt in seinem permanenten Kampf gegen die Diskriminierung unserer Sprache durch die EU den Klageweg. Er hat eine Klage beim Gericht der EU in Luxemburg eingereicht, die sich gegen die Europäische Kommission richtet, also gegen die Regierung der EU. Der Verein will wissen, warum die Kommission ihren Pressesaal nur noch auf Englisch und Französisch beschriftet. Dabei ist die Frage nach dem Warum so einfach zu beantworten: Weil man die deutschen Politiker, Beamten und Journalisten wegen des fehlenden Rückgrats glatt übersieht.

Der geplante Bücherturm auf der Insel Rügen, der in Konkurrenz zu den kilometerlangen Nazibauten von Prora als neues Wahrzeichen der Insel dienen sollte, er wird nicht gebaut. Damit gibt man einem Votum der Bevölkerung nach, die den Turm als Verschandelung der Natur ablehnte. Tatsächlich sind Bücher stets ein krasser Gegensatz zu Natur. Beweis: Selbst unsere höchstentwickelten Verwandten unter den Hominiden sind 100 % Natur und können deshalb mit keinem Buch was anfangen. Doch war die Angst der Rügener übertrieben. Der geplante Wohnturm sollte nur so aussehen wie ein hoher Stapel Bücher, es war nicht vorgesehen, den mit dem Bettenvermieten vollauf beschäftigten Insulanern wirklich mit Büchern auf die Pelle zu rücken.

Jahrtausende lang fuhren alle Boote, Kähne, Schiffe, die keine Segel hatten, exakt so schnell die Flüsse hinab, wie das Wasser floss. Heute sind sie auf Talfahrt viel schneller als das Wasser, das sie unterm Kiel haben. Tja, die Flüsse sind auch nicht mehr, was sie einmal waren.

Gossen6

Die Entscheidung ist gefallen. Den Gossen-Preis 2016, die höchste deutsche Auszeichnung für Wirtschaftswissenschaftler, bekommt die Wirtschaftsforscherin Nicola Fuchs-Schündeln. Der Preis ist benannt nach Hermann Heinrich Gossen, der von 1810 bis 1858 gelebt und geforscht hat. Ein Genie, so bedeutend wie Nikolaus Kopernikus und gleichzeitig eine tragikomische Gestalt. Gossen hat sich sein Leben lang darum bemüht, unser Leben zu bereichern, und ist selbst arm und unglücklich gestorben. Vor 4 Jahren habe ich im Salon Literatur Verlag München die Romanbiografie veröffentlicht: „Die Berechnung des Glücks – Das Leben des Hermann Heinrich Gossen“. Immer noch das einzige umfassende Porträt dieses ungewöhnlichen Menschen. Es zeigt, dass auch ein Forscherleben höchst amüsant und spannend rübergebracht werden kann.

 

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