726. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

Unsere Demokratie verändert sich in Riesenschritten. Zuerst der Rückgang der Wahlbeteiligung. Dann die Novität von Protestmärschen gegen die Regierungspolitik. Jetzt das Beiseiteschieben der etablierten Volksparteien durch die AfD. Und brandaktuell die neue Mündigkeit des Volkes, die in immer mehr Internetforen rigoros über die ordentliche Presse hinwegschwappt.

 

Der renommierte Stadtteilverein Alt-Heidelberg e.V. gibt bekannt: „Das angekündigte Konzert für Flüchtlinge mit Patensuche fällt aus. Zu einem späteren Zeitpunkt werden wir noch einmal versuchen, Flüchtlinge zu interessieren.“

 

Wir werden immer unfreier. Sind wir doch inzwischen gezwungen, egal ob interessiert oder nicht, für Funk und Fernsehen eine monatliche Gebühr zu zahlen, eine Kreditkarte zu haben sowie ein Gehaltskonto und ein Smartphone. Wir dürfen nicht mehr rauchen, wann und wo es uns beliebt, dürfen unseren Kindern keine Tracht Prügel androhen oder einem fremden Kind freundlich über das Köpfchen streicheln, und wir dürfen keinen Alkohol zu uns nehmen, weil wir ein Fahrzeug führen. Zudem müssen wir uns wegen ständig steigender Einbruchsgefahr in unserer Behausung einsperren wie Gefangene und es wehrlos hinnehmen, dass der Staat und die Banken uns um unsere Ersparnisse bringen und dass all unsere elektronischen sowie telefonischen Äußerungen genauso überwacht und registriert werden, wie unsere Flugreisen und größeren Einkäufe. Alles angeblich alternativlos. Damit haben wir Orwells ominöses Jahr 1984 weit hinter uns gelassen.

 

Der Vorstandsvorsitzende der Postbank sucht nach einem Trick, seine Kunden noch besser zu schröpfen. Jetzt sagte er: „Es gibt keinen Anspruch auf ein kostenloses Girokonto. Sie zahlen auch für Strom; ein Teil der Bankdienstleistung ist wie Strom eine Versorgung.“ Dabei unterschlug der Banker, dass jede Zahlung, die auf das Kundenkonto kommt, ein der Bank kostenlos gewährter Kredit ist.

 

Der deutsche Autoproduzent VW hat ein halbes Jahrhundert dazu gebraucht, mit überlegener Qualität die amerikanische Autohochburg Detroit in die Knie zu zwingen. Jetzt sind die Amerikaner dabei, den deutschen Autoproduzenten in die Knie zu zwingen. Wenn auch nicht mit überlegener Qualität, das ist halt Weltwirtschaft.

 

Wintertour quer durch Schweden. Altschnee, aufgehäuft zu kolossalen Ballen von Schmutzig-Weiß. Ein imposantes Nichts, nur dazu da, sich aufzulösen und gewesen zu sein. Deshalb ist für mich dieser Schnee ohne ein Morgen noch viel aufregender als jeder Schnee von gestern. Dann Wald, Wälder, am wildesten. Tannen, Fichten, Kiefern, Pappeln, Birken und andere Bäume, die sich mir nicht vorstellen. Vorbei. Die nächsten. Bis mir auffällt: Immer nur Jungwald. Hier, in der Drift nach Norden, kann man nicht alt werden. Die Häuschen werden immer seltener und immer röter, die Tümpel und Seen immer eisiger. Doch die Böden bleiben weiß, weißer und wie wissend.

 

Montagmorgen heißt überall Stau. Freitagnachmittag heißt überall Stau. Erst in der jüngeren Vergangenheit haben wir die geniale Idee gehabt, die Schulferien der einzelnen Bundesländer an verschiedenen Tagen starten zu lassen, um die Ferienstaus zu vermeiden. Das steht demnächst auch für das Wochenende an, das nicht mehr für alle gleichzeitig beginnen kann.

 

Essen, trinken, knabbern, naschen können, aber auch Abschleppseil kaufen und Kondom, Zeitung und Zigaretten, dazu eine Toilette finden und eine Dusche, also alles geboten kriegen, was man braucht, das ist der neue Ladentyp Tankstelle. Der Sprit-Shop hat den Tante-Emma-Laden abgelöst. Es gibt keinen gemütlichen Plausch mehr, dafür gewonnene Minuten.

 

Wer die Regionalkrimi-Massenware leid ist, weil eigentlich doch immer dasselbe, der sollte sich einmal an den ironischen Regionalkrimi „Das Mannheimer TT ermittelt“ wagen. Der ist ganz anders, wenn er auch wie gewohnt anfängt: „Der Bericht im Mannheimer Morgen über den Fund eines toten Neugeborenen im Müllcontainer hinter dem gutbürgerlichen Lokal Bierfass auf dem Lindenhof war für die Mannheimer wie ein …“ (weiterlesen können Sie ja selbst)

 

 

 

 

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