Passiertes! – Passierte es?
Da beißt der Hund sich in den Schwanz: Je mehr wir vereinsamen, weil wir immer mehr Zeit vor einem Bildschirm verbringen, gleich ob Fernseher, Computer oder Smarty, umso mehr gieren wir nach Romanen, Spielfilmen und Fernsehserien, um zu sehen, wie man auch anders leben könnte.
Ich schaue wie ein Gott vom obersten Stock eines Hotelturms hinab auf das Treiben meiner Kreaturen, die im Nachtdunkel mit Lichtern spielen, mit Lichtern, die angehen und ausgehen, mal weißes Gelichter, mal rotes, gelbes, grünes. Letzte Spuren der Menschlein, die ich nicht mehr zu sehen kriege, weil sie sich in Stein und Blech verstecken. Als ob sie Angst hätten vor der Frage: Was ist mit deinem Bruder? Dabei will ich heute den Bruder fragen: Was ist mit mir?
Zuerst die Schuldenkrise, dann die Migrantenkrise. Damit ist unübersehbar geworden: Europa hat einen Fehlstart gemacht. Die vorgezogene einheitliche Währung Euro war nicht in der Lage, ein einheitliches Europa zu schaffen und wird von den Eigenmächtigkeiten der europäischen Staaten ruiniert. Zudem werden die angeblichen gemeinsamen ethischen Werte Europas als bloße Lippenbekenntnisse entlarvt: Jeder europäische Staat ist so wenig freundlich gegenüber Migranten, wie es ihm politisch passt. Deshalb mehren sich in den Foren und Leserbriefspalten schon die Forderungen nach der schnellen Etablierung eines europäischen Bundesstaates. Was illusorisch ist. Denn anders als bei der vergleichbaren Gründung des Deutschen Reiches durch die Vereinigung der vielen deutschen Einzelstaaten ist heute – zum Glück – kein Bismarck in Sicht, der mit einem großen Krieg gegen eine außenstehende Macht für Vereinigungsdruck sorgt. Und so Versuche der Schaffung eines einheitlichen Europas, wie sie Napoleon und Hitler schon weitgehend vollzogen hatten, sollten wir uns lieber nicht wünschen.
Die alten Dorfkirchen, immer ein schöner Anblick, für den einen so romantisch wie für den anderen vertraut. Und kein Gedanke daran, welch irrwitzige Begeisterung und welcher Druck zur Errichtung dieser Bauten geführt hat, die viel zu groß waren für die paar Dörfler. Vorbei, eine kaum noch ernst genommene Religion ist eingeschlafen und stört nicht mehr. Aber die Vorstellung, dass ein neuer Religionswahn kommt und unsere Seelen neu auspresst, um Geld und Gehorsam zu keltern, lässt erschauern.
Partnerinnenwahl ist ein Glücksspiel. Der eine Mann erwischt eine Schöne, der andere eine Kluge. Im Alter kann der eine damit renommieren: Sie war eine Schönheit. Der andere gesteht: Sie wird mir immer noch begehrenswerter.
Warum schmücken sich die Frachtkähne so oft mit Frauennamen? Wohl ein Versuch, die Reizlosigkeit des Bootes und seiner Ladung zu übertünchen. Leider ohne einen Gedanken daran, dass der Kahn mit der gleichen Geschwindigkeit altert wie die Namenspatronin.
Oft werde ich gefragt, woran man erkennt, dass etwas Kunst ist und nicht lediglich Kitsch. Eine Sache der Einzelbetrachtung. Kunst würde ich beispielsweise die Liedzeile nennen: Ach, ich hab’ in meinem Herzen darinnen einen wundersamen Schmerz. Kitsch wäre es, wenn man gereimt hätte: Ach je, mein armes Herz spürt einen fremden Schmerz.
In Schärding an der österreichisch-deutschen Grenze war ich begeistert von den vielen prächtigen Häusern aus der Barockzeit. Beinahe jedes dritte trägt ein Schild mit dem Hinweis, was für wichtige Leute darin gelebt und gearbeitet haben. Doch da und dort erschrak ich darüber, zu was das schöne Haus heute dient. Beispielsweise im sogenannten Priesterhaus mit seiner noblen Vergangenheit sah ich ein Nagelstudio und einen Tattoo-Shop.
Das stinkt mir. In der Straßenbahn im Lehrbuch einer jungen Sitznachbarin die Überschrift gelesen: Aromapflege in der Psychiatrie. Da ich Bodenpflege und Haarpflege und Wäschepflege als Begriffe kenne, musste ich annehmen, dass die Psychiater jetzt auch schon das Aroma pfleglich behandeln. Falls aber was anderes gemeint war, was man nur nicht ausdrücken konnte, bestätigt dieses Unvermögen meine Zweifel an dieser noch wenig sicheren Wissenschaft.
Der Verlag edition karo in Berlin meldet eine deutliche Steigerung der Verkäufe meines Buches Denk ich an Bagdad in der Nacht – Staatsgast am Abend vor Kriegsbeginn. Verständlich, denn wer an dem Problemfall Irak interessiert ist, findet in diesem Besuchsbericht aus den allerletzten Tagen vor der Invasion der Amerikaner meine Warnung vor dem Desaster, das uns jetzt die Presse tagtäglich bestätigt, – und die tiefer liegenden Gründe dafür.