709. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

Der Strom der Flüchtlinge, die Mitteleuropa überrollen, war zu erwarten. Deshalb ist es so peinlich, wie überrascht und völlig hilflos sich die europäischen Spitzenpolitiker zeigen. Ich habe über die ihr Leben riskierenden Bootsflüchtlinge schon vor vier Jahren geschrieben. Dabei konnte ich auch auf eine noch unbekannte Methode aufmerksam machen, wie Verlorene auf hoher See sich vor dem Verdursten retten können. Ich war in Malta auf das Flüchtlingsproblem gestoßen und habe dieses erschreckende Phänomen zum Hintergrund meines 2013 erschienenen Kulturthrillers „Hypogäum“ gemacht. Meine Leser waren begeistert, doch die Politiker haben nicht reagiert, weil sie lieber schwätzen als lesen.

 

Und wieder gibt es in Berlin die Internationale Funk-Ausstellung. Viel Neues, aber auch die alte Warnung, die in dem Signet der IFA ausgedrückt wird: Der Kopf von Otto Normalverbraucher mit Auge und Ohr, nur der Mund fehlt. Das heißt, über die totale Entmündigung durch Funk und Fernsehen dürfen wir uns nicht wundern.

 

Nur keine Aktienmystik! Wenn in den Medien vom Börsencrash und Kursabsturz oder freien Fall, von einem schwarzen Tag oder Ausverkauf an der Börse geredet wird, ist das immer ein Zeichen totaler Unkenntnis der Schreiber – oder übler Absicht. Ist doch jeder Aktienverkauf gleichzeitig ein Aktienkauf. Die Aktien werden ja nicht in den Mülleimer geworfen, sie kommen nur in andere Hände. Und es sind die Kapitalbesitzer, vor allem die Großaktionäre, Banken und Hedgefonds, die sich über die Panikverkäufe der Kleinaktionäre freuen, weil die ihnen Aktienkäufe zu Schnäppchenpreisen ermöglichen, also den billigen Erwerb weiterer Anteile an Unternehmen, deren weltweit geschätzte Produkte sich durch die Kursbewegungen nicht verschlechtert haben.

 

In der Erhebung einer Tabakfirma sind die beliebtesten Freizeitaktivitäten der Deutschen aufgeführt. Das geht vom Fernsehen, das an erster Stelle steht, über das Lesen von Zeitungen und Zeitschriften (5. Platz) bis Kaffee trinken und Kuchen essen, das an 14. Stelle steht. Weiter geht die Aufstellung nicht, die meine Tageszeitung mir bietet. Ob das Bücherlesen auch noch irgendwo im zweistelligen Bereich genannt wird, erfahre ich nicht. Ich bin auch so schon bedient. Tröste ich mich also mit den Freizeitaktivitäten, die generell abgelehnt wurden. Für 90 % war das die Spielhalle, für 80 % das e-Book, für 71 % das Fitnessstudio und für 54 % Oper und Theater.

 

Ich lese: In Deutschland können 14,5 % der Erwachsenen trotz Schulbesuch nicht ausreichend lesen und schreiben. Mir scheint, und dafür spricht, was ich bei Facebook täglich sehe, das Wörtchen „nicht“ ist nur versehentlich in den Satz gekommen.

 

Jetzt gibt es wieder einmal Anzeigen in den Zeitungen, die von www.bmfsfj.de kommen. Eine Abkürzung, die man sich auf der Zunge zergehen lassen sollte. Sie steht für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, das seinen Hauptsitz in Berlin und die meisten Mitarbeiter in Bonn hat. Ob diese ulkige Aufteilung hilft, Überschneidungen und Kontroversen bei der Arbeit auf den vier verschiedenen Aufgabengebieten zu vermeiden, sei dahingestellt. Zumal bei der willkürlichen Zusammenstellung vier andere Aufgabengebiete fehlen: Singles, Alleinerziehende, Kinder, Männer. Also müsste die URL aufgestockt werden zu www.bmfsfjsakm.de. Klar ist jedenfalls, dass sich dieses Patchwork-Ministerium um meine Nachbarin, die schon im jugendlichen Alter ein Kind bekommen und dann geheiratet hat, gleich dreifach kümmert, dagegen um mich nur einfach. Aber vielleicht sollte ich darüber froh sein.

 

Eine Bemerkung aus gegebenem Anlass: Nassforsche Forschung. In jungen Adern soll Blut fließen, das Stoffe enthält, die älteren Menschen fehlen, so vermutet man. Wenn also demnächst ein Bluttransfer von Jung zu Alt stattfindet, kommt man vielleicht auch darauf, einen Transfer von Gehirnflüssigkeit von Alt zu Jung vorzunehmen, weil darin Erfahrungsstoffe eingelagert sind, die den Jungen fehlen.

 

Dichter und Bauer. Die Bauern fordern wegen der Dürre Nothilfen in Milliarden vom Staat. Die Dichter haben ebenfalls wirtschaftliche Verluste erlitten, weil die Leute in der Heißwetterperiode keine Bücher gekauft haben, sondern schnorcheln waren.  Doch fehlt den Dichtern leider ein so schlagkräftiger Verein wie der Bauernverband. Deshalb wird es für Schreiber keinen Euro mehr geben und für die Mehrheit der Bevölkerung weiterhin heißen: Der Mensch lebt vom Brot allein, – zumindest der bescheidene.

 

Barbara Hartlage-Laufenberg, meine Frau, liest am Freitag, den 4. September, in Berlin aus ihrer Biografie der Frau von Joachim Ringelnatz, die gerade unter dem Titel „In Liebe, Muschelkalk“ bei der edition karo in Berlin erschienen ist. 19 Uhr im Literaturhaus, Fasanenstraße 23.

 

 

 

 

 

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