Passiertes! – Passierte es?
Zum Totlachen, wie verzweifelt unsere Spitzenpolitiker wetteiferten im Erfinden von Umdeutungen der Pegida-Demonstrationen. Die Islamablehnung nannten sie Fremdenhass, den Wunsch nach mehr Mitsprache taten sie als Radikalismus ab, die Unzufriedenheit mit der Parteienherrschaft hieß Randalieren, und Kritik an der Presse war auf einmal Nazitum. So geschickt schnallen die Politiker uns Scheuklappen an den Kopf, damit wir nur ja nicht sehen, dass sie Angst haben, weil sich neben dem Kartell der etablierten und weitgehend aus dem Steuertopf finanzierten Parteien eine Gruppierung bildet, die ihnen demnächst als neue Partei Konkurrenz macht.
Die brutale Ermordung von Geiseln durch Terroristen wie den IS empfinden wir als besonders widerlich, weil sie gegen unsere Grundvorstellung verstößt: Die Geisel hat mit der Auseinandersetzung, um die es geht, nichts zu tun und darf deshalb nicht verletzt werden. Das Pech der Geisel ist nur die Staatsangehörigkeit, die unausgesprochen als eine Art Eigentum aufgefasst wird. Das resultiert aus dem historisch gewachsenen Interesse der Staatsführungen an der Steuerkraft, dem Soldatendienst und der Gebärleistung ihrer Untertanen. Es führt zur Erpressbarkeit von Staaten durch Geiselnehmer, weil die Geiselnehmer das Eigentumsdenken des gegnerischen Staats in ihr Kalkül einbeziehen. Das einzig wirksame Mittel gegen Geiselnahmen wäre die totale Abschaffung der Staatsangehörigkeit. Der einzelne Mensch sollte nur noch als zeitweiliger Bewohner eines Staates gesehen werden, so wie man der zeitweilige Bewohner einer Stadt ist, ohne als das Eigentum der Stadt gesehen zu werden.
Die Typenlehre der Psychologie bekommt eine Schlüsselfunktion in der Politischen Wissenschaft. Dazu führt die Erkenntnis, dass die Körpergröße eines Staatsführers konkretes Vorauswissen von erst anstehenden Entscheidungen dieser Person zulässt. Deshalb ist speziell für die körperliche Konstitution von Staatsführern ein Punktesystem entwickelt worden. Männer wie Adenauer, De Gaulle und Kohl bekommen aufgrund ihrer Körpergröße weit mehr positive Punkte als etwa Napoleon, Sarkozy oder Putin. Weil bei den Großen aufgrund ihres größeren Selbstbewusstseins ein souveränes Regierungshandeln zu erwarten ist, das berechenbar bleibt. Dagegen neigen Kleine wegen des starken Kompensationsdrucks oft zu irrealen Entscheidungen, sind also extrem unberechenbar. Die Schuhindustrie hat schon Konsequenzen gezogen und bietet extradicke, luftgefüllte Sohlen an, um bei Politikern anzukommen.
Einen sich verkleidet unters Volk mischenden Herrscher wie Harun al Raschid, nein, den gibt es bei uns nicht. Viel zu unbequem. Doch im Kaiserreich schickten die Polizeipräsidenten noch Spitzel in die Kneipen, um herauszufinden, welcher „Ungeist“ im Volk herrscht. Seit der Adenauerzeit zahlen die Regierenden dafür aus dem Steuertopf Woche für Woche ungeheure Summen an Meinungsforschungsinstitute. Auch heute noch. Dabei brauchten sie nur ins Internet zu schauen, wo ihnen in diversen Foren und Blogs tagtäglich die Meinung gegeigt wird.
Dass Politiker die Bodenhaftung verlieren und sich zu wichtig nehmen, liegt auch an den Pulks von Journalisten, die immer und überall um die Nähe zu ihnen kämpfen und oft sogar vor ihnen knien, um mit ihren Kameras und Mikrophonen das meist inhaltlose Blabla und die einstudierte Geste einzufangen. Wir sollten 90 % von diesen Berufsbewunderern umschulen zu Sportreportern. Da können sie weniger Schaden anrichten.
Unsere Autoproduzenten zeigen eine erstaunliche Begeisterung für negativ besetzte Namen, die sie besonders teuren Wagen geben. Beispielsweise nennt Porsche sein teures Geländewagendickerchen nach einer berüchtigten Sträflingsinsel für Schwerverbrecher Cayenne. Und Volkswagen nennt seinen teuersten Bottich nach Phaeton, dem missratenen Sohn des Sonnengottes Helios, der sich ohne Erlaubnis des Vaters den Sonnenwagen geschnappt und ihn prompt in den Graben gefahren hat. Vermutlich ist diese negative Namenswahl für die Wagen der besonders geldschweren Klientel Absicht. Sagt der Volksmund doch: Hinter jedem großen Vermögen steckt ein großes Verbrechen.
Als ich das Wort Fremdsprache benutzte, wurde ich sofort von einem aus der Sekte der Politisch Korrekten getadelt, das sei ein untragbarer Begriff. Meine Verteidigung, Fremdsprache sei einfach nur das Gegenteil von Muttersprache, ließ er erst recht nicht gelten. Muttersprache sei ein einseitig verherrlichender Genderbegriff. Für diesen modernen Pharisäer galten nur die Begriffe Primärsprache und Sekundärsprache. Da war ich sprachlos, den Korrektheitsblödel aber erst los, als ich ihm einen kräftigen Tritt in den – pardon, Alternativmund gegeben hatte.
Genuss und Genus ist zweierlei. Das eine ist angenehm, das andere bloß grammatische Tradition. Doch ist es ein besonderer Genuss zu beobachten, mit welchem Eifer Sprachpflegerinnen mit Schrubber und Staubtuch dem Genus zu Leibe rücken, um unsere Sprache zu säubern. Dabei bleibt leider ein Rest von „Verschmutzung“, weil das weibliche grammatische Geschlecht seinen Namen von einem sächlichen Hauptwort hat (das Weib) und das sächliche grammatische Geschlecht von einem weiblichen Hauptwort (die Sache), wogegen bislang noch kein Reinigungsmittel gefunden wurde.
Nur Doofe zahlen stets mit ihrem guten Namen. Dass wir durch immer neue Tricks immer durchsichtiger werden, ist aber nicht alternativlos. Mich kann man mit der Kreditkarte nicht durchleuchten. Ich benutze sie so selten wie eben möglich. Ohnehin geht Barzahlen an der Ladenkasse und im Restaurant schneller als das Gefummel mit der Kreditkarte. Und man gibt auch weniger Geld aus, wenn man mit Bargeld zahlt. Das ist ja der Grund für die perfide Propaganda: Zahlen Sie mit ihrem …
Richard von Weizsäcker, ehemals mein Chef, ist im Alter von 94 Jahren in Berlin gestorben. Wie ich ihn als sein Werbe- und Public-Relations-Direktor in den achtziger Jahren, als er der Regierende Bürgermeister von Berlin war, erlebt habe, das habe ich in dem Staatskanzlei-Roman „So schön war die Insel“ festgehalten (längst vergriffen, aber von ein paar Exemplaren im Kasten könnte ich mich auf Wunsch von stärker an der jüngsten Vergangenheit Interessierten noch trennen).