676. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

In der Zeitung gelesen und auf dem Bildschirm gesehen, wie Erdogan auf das schwere Bergwerksunglück mit mehr als 300 Toten reagiert hat. Er kam seinem aus Trauer und Wut weinenden Volk mit Wasserwerfern und Tränengas. Das heißt: Eulen nach Athen tragen.

Der Ausgang der Europawahl hat Frankreich in einen Schockzustand versetzt, heißt es jetzt. Dabei haben wir Deutschen doch schon vor 80 Jahren gezeigt, wohin es führt, wenn die Regierenden total versagen.

Europa ist uns lieb und teuer. Jeder der 751 von uns gewählten Abgeordneten hat jeden Monat neben seinen Diäten und Spesen in Höhe von 12.000 Euro noch 20.000 Euro für Büro und dergleichen zur Verfügung. Doch verdienen etliche Tausend Lobbyisten, die sie bearbeiten, noch mehr, was wir ebenfalls zahlen, nämlich über die Preise von Produkten und Dienstleistungen aller Art.

Mit unseren alltäglichen Gelüsten tragen wir sehr wirksam zum Wohlbefinden des Bundesfinanzministers bei, weil ihm die Tabak-, Alkohol- und Kaffeesteuer zusammen im vergangenen Jahr fast 18 Milliarden Euro in die Kasse gespült haben. Ein Einnahmeposten, der gleich nach der Körperschaftsteuer kommt und damit an siebter Stelle aller 25 großen Steuern steht. Also nur ja nicht nachlassen im Trinken und Rauchen!

Freuen wir uns auf die neuen schnellen Intercityzüge, die in deutsch-französischer Zusammenarbeit gebaut wurden. Dass sie für die Einfahrt in unsere Bahnhöfe ein paar Zentimeter zu breit sind, also nicht eingesetzt werden können, bis für viele Millionen Euro die Bahnsteige schmaler gemacht worden sind, wer wird sich an solchen Kleinigkeiten stoßen. Der Staatsbetrieb DB ist halt noch nicht wirklich privatisiert, sonst würden jetzt Köpfe rollen.

Ich war auf der Criminale in Nürnberg, dem Jahrestreffen der deutschsprachigen Krimi-Autoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Vier Tage unter den mehr als dreihundert Frauen und Männern, die nichts als Mord und Totschlag im Kopf haben neben den Überlegungen, wie das zu Papier gebracht und zu Geld gemacht werden kann. Zum Veranstaltungsprogramm gehörten auch viele Vorträge und einige Führungen. So die über den Nürnberger Johannisfriedhof, auf dem berühmte Nürnberger aus vier Jahrhunderten ruhen, unter anderem Albrecht Dürer. Und es sind noch Plätze frei, hieß es im Programm. – Ach nein, lieber noch nicht!

Am Abend war im Fernsehen wegen einer Fußballübertragung mal wieder eine Programmänderung unvermeidlich. Es hieß: Ein wichtiges Spiel. Mein ehemaliger Deutschlehrer hätte gesagt: Gibt’s nicht, weil ein Widerspruch in sich.

Mich deutlicher ausdrücken? Wie soll das möglich sein bei der Ambivalenz so vieler Begriffe, wehrte ich mich an der Theke. Und brachte ein für jedermann verständliches Beispiel: So wichtig jede Niete im Schiffbau ist, in der Schiffsführung ist sie eine Katastrophe. Also – was ist eine Niete?

Wenn der Levis-Boss rät, man solle die Levis-Nietenhosen nicht mehr waschen, sie nur hin und wieder ins Tiefkühlfach des Kühlschranks zu legen, damit die Bakterien abgetötet werden, dann ist man ihm zutiefst dankbar für den hinzugefügten Rat: in einer Plastiktüte verpackt.

Ja, Vater Rhein, du hast allen Grund, verärgert zu sein. Weil die Frachter auf Bergfahrt inzwischen mit derselben Geschwindigkeit über dich hinweggleiten wie die auf Talfahrt. Dein Lauf wird einfach ignoriert. Als wärst du eins von diesen belanglosen Asphaltbändern. Nichts mehr mit Rhein-Romantik und nichts mehr mit der schweißtreibenden Arbeit früherer Jahrhunderte, als die Kähne auf Bergfahrt von Treidlern und ihren Zugtieren, krumm gearbeiteten Pferden und Ochsen, gegen die Strömung gezogen werden mussten.

 

 

 

 

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