665. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

In meiner Tageszeitung, der FAZ, beim Frühstück fromme Gauck-Sprüche. Unser Bundespräsident ist ja doppelt dienstlich verpflichtet, immer das hohe C zu singen. Daneben aber gleich eine andere Doppelung: Die Würdigung des genialen russischen Konstrukteurs Michail Kalaschnikow, dem wir das nach ihm benannte und mehr als hundertmillionenfach gebaute und eingesetzte Schnellfeuerwehr verdanken. Auf der Rückseite ein großer Artikel über die neuesten und gefährlichsten Kriegsautomaten, die Drohnen, deren Haupt-Konstrukteur und –Exporteur das Land Israel ist. Und an welchem Tag werden mir diese aufschlussreichen Friedensbotschaften auf den Frühstückstisch gebracht? Am Morgen des Heiligen Abends.

Uruguay ist der Vorreiter bei der Liberalisierung des Haschisch- bzw. Marihuana-Gebrauchs. Sogar deutlich mutiger als die Niederlande, weil nach einem jetzt beschlossenen Gesetz Anbau, Verkauf und Konsum unter staatlicher Regelung erlaubt werden. Das ist das Eingeständnis, dass man den viel beschworenen Krieg gegen Drogen verloren hat. Zugleich aber wird damit dem organisierten Verbrechen ein Markt genommen, und der Staat zapft eine neue Steuerquelle an. Damit wiederholt sich in Lateinamerika, was schon vor Jahrhunderten europäische Staaten mit den Drogen Alkohol, Nikotin und Koffein vorgemacht haben: Sinneswandel und Strategiewandel, das heißt zulassen und überwachen und besteuern. Genau das hatte ich in meinem 1971 erschienenen Sachbuch „Rauschgift – Der stille Aufstand“ dargestellt und empfohlen. Ein Großteil der Auflage dieses Buches, in Deutschland eine der frühesten Auseinandersetzungen mit den Drogen, ist damals von der Bundesregierung angekauft und an Meinungsbilder und Ausbilder verteilt worden. Bewirkt hat diese Aufklärungsarbeit bisher natürlich nichts.

Doch jetzt fordern 106 deutsche Strafrechtsprofessoren, das Betäubungsmittelgesetz grundlegend zu erneuern, weil es sich als „gescheitert, sozialschädlich und unökonomisch“ erwiesen hat. Tatsächlich zwingt es unnötig viele Menschen in die Illegalität, jeder verstärkte Polizeieinsatz erhöht die Preise der Rauschgifte und macht damit das Geschäft für Verbrecherorganisationen nur umso lukrativer, und der sinnvolle Einsatz mancher Drogen bei Schmerzpatienten wird verhindert.

Das Land, das am rigorosesten gegen die Verbrecher vorgegangen ist, die uns den weltweiten Zusammenbruch des Finanzsystems eingebrockt haben, ist Island. In Reykjavik sind jetzt drei frühere Direktoren der Kaupthing-Bank  wegen Betrugs zu Haftstrafen zwischen dreieinhalb und fünfeinhalb Jahren verurteilt worden. Das heißt, auf der Insel, auf der die Menschen auch heute noch mehr von altgermanischen Heldensagen geprägt sind als von der aus dem Morgenland importierten Bibel, wird Skrupellosigkeit nicht mit Super-Boni und Ruhestand als Multimillionär belohnt. Das unterscheidet die Isländer wohltuend von uns.

In den USA hat es im Jahr 2013 weniger Hinrichtungen gegeben als im Jahr zuvor, nämlich 39 statt 43. Vor allem, weil es an Gift fehlt. Denn etliche Pharmaunternehmen wollen nicht mehr, dass ihr Produkt zur Tötung eines Menschen benutzt wird. Weil darunter das Firmen-Image leidet. Für die Hinrichtungen ersatzweise Schusswaffen einzusetzen, von denen es ja mehr als genug in den USA gibt, ist kein Gedanke. Das Erschießen ist eine zu vornehme Tötungsart und deshalb der privaten Regelung von Alltagsstreitigkeiten vorbehalten, und das täglich.

Preisend mit viel schönen Reden haben sie sich der deutschen Sprache gewidmet, die deutschen Sprachforscher. Und haben konstatiert, dass unsere Sprache sich recht robust zeige, obwohl in den letzten hundert Jahren um 1,6 Millionen Wörter gewachsen. Wobei die meisten neuen Wörter aus dem Englischen gekommen seien. Doch leider ist die Aufnahme der vielen fremden Begriffe nicht das aktuelle Problem unserer Sprache, sondern die Verdrängung der deutschen Sprache aus den Wissenschaften und aus der europäischen Politik. Und daran tragen unsere Wissenschaftler und Politiker die Hauptschuld, weil sie viel zu willfährig auf Englisch umschalten statt sich auf Deutsch auszudrücken. Immer noch voller Angst, sie könnten der Deutschtümelei bezichtigt werden oder sich als Neonazis verdächtig machen. Dabei ist unbestritten, dass das Deutsche wegen seines Formenreichtums viel besser geeignet ist zur exakten Bezeichnung von komplizierten Zusammenhängen als das abgeschliffene Englisch, das von unseren Wissenschaftlern und Politikern in Hilfskellnermanier verwendet wird.

In Jerusalem hat ein rabbinisches Gericht, in Eheangelegenheiten in Israel zuständig, in einem  Scheidungsprozess auf Antrag des Ehemannes die Ehefrau dazu verurteilt, ihren Sohn beschneiden zu lassen. So lange sie die Beschneidung verweigert, wird eine Geldstrafe von ca. 100 Euro pro Tag fällig. Die Mutter hatte vorgebracht, sie habe kein Recht, ihren Jungen verstümmeln zu lassen. Das Gericht stellte jedoch die religiöse Verpflichtung über das Naturrecht, auf das die Mutter sich berief. Pech für die Mutter und ihren Sohn, dass sie hundert Jahre zu früh auf der Welt sind.

Die Absicht, im neuen Jahr mit meiner Frau eine Studienreise durch den Iran zu machen, musste ich fallen lassen, als wir bei dem Reiseunternehmen Dr. Tigges die Hinweise zur richtigen Bekleidung der Frau gelesen hatten: „Absolut vorgeschrieben ist die Verschleierung mit Kopftuch … Dazu gehört körperferne, den Körper bedeckende Kleidung, z. B. ein langer, nicht taillierter Mantel in dezenter Farbgebung, darunter lange Hosen oder undurchsichtige Strümpfe oder eine lange Hose mit einer langärmeligen körperfernen Bluse … Männer dürfen in der Öffentlichkeit keine kurzen Hosen tragen. Auch sollte es vermieden werden, kurzärmelige Hemden zu tragen.“ Na, wenn schon, Rügen soll ja auch schön sein.

Achtung! Wer eine AOL-Adresse hat, bekommt neuerdings mein Rundschreiben nicht mehr, weil AOL es als Spam einstuft. Bitte die persönliche Einstellung so ändern, dass dieser Fehler behoben wird.

Jetzt mache ich den Computer aus, aber nicht, ohne all meinen Leserinnen und Lesern ein paar angenehm erholsame, glückliche und durch gute Literatur auch anregende Feiertage zu wünschen. Und einen glücklichen Übergang ins Neue Jahr, in dem das NETZINE übrigens seinen achtzehnten Geburtstag feiert – am 3. Januar 2014.

 

 

 

 

 

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