661. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

Die bombastische Geldverschwendung beim Bau des Limburger Bischofssitzes ist für die Oberen der beiden christlichen Kirchen besonders peinlich, weil die Bundesbürger darauf aufmerksam werden, dass diese privaten Vereine genannt Kirche ungeheuer reich sind, weil sie in übertriebener Großzügigkeit vom Staat, der nicht nur die Kirchensteuer für sie einsammelt, gefördert werden. Irgendwann wird sich vielleicht auch ein Journalist daran erinnern, dass die Kirchen zusätzlich von den Bundesländern Jahr für Jahr viele Millionen Euro kassieren. Als sogenannte Entschädigung für Enteignungen in der Zeit der Säkularisation, also vor 210 Jahren, aber auch noch für viel frühere gegen die Kirchen gerichtete Ordnungsmaßnahmen im 16., 17. und 18. Jahrhundert.

Es ist der Verlust eines Wortes zu beklagen. Es heißt „Schuldenabbau“. Das schöne Wort war bis vor wenigen Tagen beheimatet im Mund des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble. Jetzt ist es spurlos verschwunden. Offenbar von der über den Minister hereingebrochenen Sturzflut von Steuergeldern weggeschwemmt. Finder werden gebeten, sich mit dem Wort „Schuldenabbau“ bei dem Minister zu melden. Der wird sich bedanken. Ein Finderlohn ist jedoch nicht zu erwarten, weil der Minister sparen will.

Ob es üblich ist, dass der Mann Bart trägt, oder ob der Mann mit glattgeschorenem Gesicht herumläuft, das war in den letzten zwei Jahrtausenden immer eine Frage der Mode. Deshalb das viele Hin und Her. Jetzt soll diese Frage auf EU-Ebene per Gesetz endgültig geregelt werden. Denn nach dem Verbot der starken Glühbirnen und dem ab nächstem Herbst geltenden Verbot wattstarker Staubsauger soll das Verbot des Elektrorasierers folgen. Damit könnte die entfallene Leistung von drei stillgelegten Atomkraftwerken wettgemacht werden, heißt es. Der naheliegende Umstieg auf die Nassrasur wird gleichzeitig untersagt, weil die erhöhte Gewässerbelastung durch den Seifenschaum und der steigende Wasserverbrauch die Energieersparnis ad absurdum führen würde.

Immer mehr Fluggesellschaften sind so geschäftstüchtig, dass sie die Plätze an den Notausgängen ihrer Maschinen, wo man ein wenig mehr Platz für die Beine hat, gegen einen Aufpreis verhökern. Dagegen ist an sich nichts einzuwenden, weil ein besserer Platz einen höheren Preis rechtfertigt. Aber gerade an die Notausgänge sollten nur Passagiere gesetzt werden, die gesund und kräftig genug sind, im Notfall sehr schnell die Ausstiegstür zu entriegeln und zu öffnen und ruck-zuck den Ausgang frei zu machen. Ob das immer Leute sind, die den Aufpreis von 60 Euro leicht hinnehmen können?

Die Londoner Zeitung „Independent“ hat das Ergebnis des Irakkrieges, den die Amerikaner und Engländer im Jahre 2003 geführt hatten, mit einer halben Million getöteter Iraker beziffert. Die von den Amerikanern danach eingesetzte neue irakische Regierung sei unfähig und korrupt und könne nicht verhindern, dass ständig weitere Iraker Anschlägen zum Opfer fallen, bis zu annähernd eintausend im Monat. Und es sei kein Ende des Terrors abzusehen. Ich habe als einer der letzten Augenzeugen noch die Verhältnisse unter dem durch den Irakkrieg weggewischten Regime erlebt. Mein Buch über die Begegnungen mit den Menschen im Irak in den letzten Tage vor der kriegerischen Invasion bleibt leider hochaktuell: „Denk ich an Bagdad in der Nacht – Staatsgast am Abend vor Kriegsbeginn“, edition karo, Berlin 2012, 116 Seiten, mit 15 Fotos, 14,- Euro.

Lustig! Experten der deutschen Rentenversicherung haben ausgerechnet, dass 1.000 Euro Brutto-Jahresverdienst nach einem Jahr Beschäftigung noch nicht einmal 10 Euro Monatsrente bringen. Da kann man sich vorstellen, wieviel hundert Jahre man zu arbeiten hat bzw. wie dick das Jahresgehalt sein muss, wenn man auf eine ausreichende Rente kommen will. Dass die Rente hinten und vorne nicht reichen wird, ging mir auf, als ich in den 80er Jahren mit Erstaunen gesehen habe, dass in Berlin sowas wie eine Stadt in der Stadt gewachsen ist. Eine Unmenge riesiger Bürobauten, in denen Abertausende an Schreibtischen ihr Leben verbringen, indem sie das Geld der Rentenzahler verwalten – und verbrauchen.

Es hat halt alles seine zwei Seiten. In den USA, in Kanada und in Australien, wo man sich wegen wilder Tiere fast nirgendwo zu Fuß vom Highway weg ins Grüne wagen kann, ist mir so richtig klar geworden, wie herrlich gefahrlos wir in unseren heimischen Wäldern herumlaufen können. Jetzt lese und höre ich immer öfter von Überläufern und von den erfolgreichen Bemühungen, auch bei uns Tierarten wieder heimisch zu machen, die verschwunden waren: Mancherlei Schlangen, Luchse, Braunbären, Wisente, Elche und Grauwölfe. Na schön, bleiben wir demnächst auch in Deutschland brav auf den Autobahnen – da gibt es ja kleine Rastplätzchen mit jungen Bäumchen und Raststätten mit Rundumversorgung bis hin zum gut eingezäunten Kinderspielplatz.

Haarsträubendes. Schon sprichwörtlich für belanglose Nachrichten ist die Meldung, in China sei ein Sack Reis umgefallen. Ein deutscher Haarwaschmittelhersteller hat diesen Nonsens jetzt noch überboten mit der Meldung, 46 % der chinesischen Männer würden lieber auf einige Lebensjahre verzichten als ihre Haare verlieren.

Mir kommt das Blatt in den Blick, das sich gerade hoch oben in der schon lichten Krone der Pappel vom Zweig gelöst hat, jetzt ein Einzelnes ist und sich daranmacht, ein Menschenleben lang in seligen Schwüngen langsam durch die Luft zu trudeln, goldglänzend in der Morgensonne, und sich wie selbstverliebt hin und her zu wenden, raumgreifend reiselustig, seine herrliche Individualität auskostend, bis es auf dem Fahrweg gelandet ist, von einem Moment auf den anderen völlig bewegungslos und, wie der Berufsverkehr darüber hinwegrollt, ununterscheidbar im Herbstmatsch verschwunden. Wie schön dagegen das andere Goldblättchen von demselben Baum, das auf das Dach eines geparkten Autos gefallen ist: ein besonderer Glücksfall.

 

 

 

 

 

 

 

 

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