Passiertes! – Passierte es?
Ein Drittel der Weltbevölkerung ist christlich, fast ein Viertel ist muslimisch, annähernd vierzehn Prozent sind hinduistisch, weniger als sieben Prozent buddhistisch, nullkommazwei Prozent jüdisch. Aber erst elfeinhalb Prozent, in der Tendenz steigend, sind religionslos. Das ist ja schon was, doch die immer wieder geforderte Religionsfreiheit, richtig verstanden die Freiheit von religiöser Bevormundung, sieht anders aus.
Jetzt will meine Zeitung mir weismachen, die deutschen Männer mit Normalgewicht seien in der Altersgruppe von 30 – 35 in der Minderheit, bei den deutschen Frauen dagegen würden die Übergewichtigen erst in der Altersgruppe von 35 – 60 überwiegen (sic!). Dabei sagt die Zeitung aber nicht, was sie unter Normalgewicht versteht. Da es allen sozialistischen Bemühungen zum Trotz nach wie vor für Menschen keine Norm gibt, kann wohl nur das ermittelte Durchschnittsgewicht gemeint sein, das man dreist zum Normalgewicht erklärt. Aber – fressen und saufen die deutschen Männer und Frauen sich neuerdings amerikanische Monsterfiguren an, so erhöht sich das Durchschnittsgewicht und nach der falschen Logik der Ernährungskritiker damit auch das sogenannte Normalgewicht. Und alles, alles, und alles wird wieder gut.
Da fahren schon seit Monaten LKW eines großen Möbelhändlers durch die Gegend mit der riesengroßen Aufschrift: Lieferschreiner gesucht! Und ich frage mich: Wenn der heimische Arbeitsmarkt wirklich so leergefegt ist, dass man keinen Schreiner mehr finden kann, der noch beweglich ist, was ist dann mit den viel zu vielen Arbeitslosen in Spanien oder Griechenland? Oder sind die alle unabkömmlich, weil sie bei den vielen Demonstrationen mitmachen müssen?
Wer mich mal als schrecklich schlechten Schauspieler erleben möchte, kann sich kostenlos bei YouTube den 15-Minuten-Film „Perkeos Rückkehr“ ansehen (http://www.youtube.com/watch?v=6sm-bnmNFDo). Viel Spaß!
Mein Bericht von der Leipziger Buchmesse: Im ICE durch Deutschlands Mitte rasen, zwischen Winterwäldern, die wie stoppelbärtige Wangen wirken neben den schneeglatt rasierten Feldern. So kann Natur faszinieren und irritieren. Doch starrt wohl jeder Dritte in meinem Großraumwagen auf etwas Elektronisches: Laptop oder Tablet oder Reader oder Smartphone. In den überfüllten Messehallen dann haufenweise Jugendliche in phantastischen Kostümierungen, sich knipsend und sich knipsen lassend, deshalb keine Hand frei für ein Buch, auch keinen Blick. Die aktuelle Ausgabe der Zeit wird mir gereicht. Keine Zeit für hundert Seiten im Großformat, aber wenigstens einmal das Zeit-Magazin durchblättern: Sechs alte Pfarrhäuser sehen und zwanzig neue Armbanduhren. Mein Gott, wie die Zeit vergeht.
Wir tun so, als wäre es selbstverständlich, den Verkaufserfolg als das wichtigste Indiz für die Bedeutung eines literarischen Werks zu sehen. Als ob ein Bestseller immer was Gutes sein müsste. Zur Zeit der Klassik, also zur Zeit Goethes und Schillers und Herders, hießen die erfolgreichsten Bestsellerautoren August Vulpius, August von Kotzebue, Gottlob Cramer und August Heinrich Julius Lafontaine. Jeder von ihnen hatte mehr Auflagenerfolg als Goethe, Schiller und Herder zusammen, aber heute liest kein Mensch mehr ihre Machwerke. Weil sie belanglos waren.
Nicht einfach festzustellen, was ein Autor eines früheren Jahrhunderts Großartiges geleistet hat. Wenn Friederike Biron sich im Deutschlandfunk an den 250. Geburtstag des Dichters Jean Paul erinnert und in seinem umfangreichen Werk herumstöbert, findet sie Begriffe, die uns heute nicht mehr auffallen, weil sie uns selbstverständlich sind. Jean Paul erwies sich als ein erstaunlich innovativer Autor mit Wortschöpfungen wie Schmutzfink, Weltschmerz, Sprachgitter, Fremdwort, Ehehälfte, Gänsefüßchen, Gefallsucht, Extrablatt, Nachtseite. Das heißt Jean Paul hat seinen Zeitgenossen viele auch schwer verdauliche Novitäten zugemutet – und hatte doch eine riesige und begeisterte Leserschaft.
Das Buch „Ego: Das Spiel des Lebens“ von Frank Schirrmacher basiert auf der These, dass alles menschliche Handeln vom Egoismus gesteuert wird. Eine Erkenntnis, die ich schon in meinem 1987 in Hamburg erschienenen Buch „Ratgeber für Egoisten“ ausführlich dargelegt hatte – besser lesbar und amüsanter. Doch ist mein Buch längst vergriffen und nur noch antiquarisch erhältlich. Dass es im Schrifttumsverzeichnis meines Nachfolgers fehlt, ist daher verständlich.
Übrigens: Wer in Facebook ist, kann sich dort meinen neuesten Eintrag von heute früh ansehen. Ist aktuell!
Und noch mehr Interna: Anfang 2002 gründeten deutsche Autoren den „Autorenkreis historischer Roman Quo Vadis“, der jährliche Treffen mit vielen Lesungen veranstaltet und sehr schnell auf annähernd zweihundert Mitglieder anwuchs. Sein alle zwei Jahre verliehener Sir-Walter-Scott-Preis wurde jedoch zum Problem, als er sichtbar machte, dass man zwei nicht nur unterschiedlichen, sondern sogar konträren Vorstellungen vom modernen historischen Roman anhing, was zu Streit und zu Austritten führte. Die einen wollten literarisch Anspruchsvolles schaffen, die anderen den Massenerfolg. Was sich heute wechselseitig ausschließt, weil beim großen Publikum wie auch bei den großen Publikumsverlagen, die es bedienen oder abgrasen, nichts Anspruchsvolles gewünscht ist, sondern bloß nach festen Regeln geschriebenes, gefälliges Lesefutter. Anfang 2013 haben sich nun einige Autoren zu einem Konkurrenzverein für den historischen Roman zusammengetan, den sie „Homer“ nennen. Ob damit eine klare Trennung herbeigeführt und ein neuer Anfang gemacht ist, lässt sich aber noch nicht sagen.