Passiertes! – Passierte es?
Papst Benedikt XVI. ein letztes Mal in Rom im schutzgläsernen Papamobil beim Bad in der Menge. Angeblich jubelt das dicht gedrängt dastehende Volk ihm begeistert zu. Doch dann sehe ich auf den Fotos nur wenige winkende Hände, weil fast jeder dem Papst eine Kamera entgegenhält. Bilderschießen statt Jubel und Winken. Also genau so wenig Anteilnahme wie bei Verkehrsunfällen, wenn die Kamera gezückt wird statt zu helfen. Wir Fernsehviecher sind erfolgreich umgepolt zu Bildkonsumenten.
Zwei wichtige Meldungen kurz nacheinander: Der Papst zurückgetreten, der oberste Führer der katholischen Kirche Englands zurückgetreten. Es sieht so aus, als ob wir dabei wären, das Mittelalter hinter uns zu lassen.
Große Schwierigkeiten der katholischen Kirche mit der „Pille danach“ und ihrer Morallehre, so lese ich in der Zeitung. Da frage ich mich, warum immer an der moralischen Perücke herumgedrückt wird, statt zu sagen: Die Kirche hat wie jeder Verein in erster Linie die Sorge um den eigenen Fortbestand. Deshalb: Lasset die Kindlein zu mir kommen! Dafür muss man doch Verständnis haben.
Ein neues Gespenst geht um in Europa – das Gespenst Unisex. Es hat sich aufgemacht, den Bezirk der Versicherungen und der Friseure zu verlassen, wo es nur bedeutete, dass man beide Geschlechter gleich behandeln wollte. Linke, SPD und Grüne haben jetzt dem Antrag der Piratenpartei im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zugestimmt, zusätzlich zu den öffentlichen Männertoiletten und Frauentoiletten auch noch Unisex-Toiletten einzurichten. Geld spielt ja in Berlin keine Rolle. Für Intersexuelle und Transsexuelle soll damit die schreckliche Benachteiligung aufgehoben werden, dass sie sich für eins der beiden Geschlechter entscheiden müssen, wenn sie mal müssen, obwohl ihnen beide zum Pissen nicht passen.
Wir haben eine hoch gebildete und gut bezahlte Ministerialbürokratie, und das sogar 17-fach: im Bund und in jedem der sechzehn Bundesländer. Doch bei der Formulierung von Gesetzentwürfen übernehmen die Ministerialbeamten oft wortwörtlich, was die Lobbyisten der Verbände ihnen vorgeschlagen beziehungsweise aufgedrängt oder abgepresst haben. Kein Wunder, diese Interessenvertreter sind noch spezieller ausgebildet und noch viel besser bezahlt als die Beamten. So werden wir nicht nur 17-fach betreut, sondern doppelt und dreifach. Ob wir deshalb besonders gut wegkommen, ist eine andere Frage.
Da gibt es Leute, die versuchen ihre dümmliche Anglizismen-Manie damit zu rechtfertigen, in der deutschen Sprache könne man dieses und jenes nicht ausdrücken. Das ist glatter Unsinn (um nicht zu sagen: Nonsens). Denn wie jetzt festgestellt, hat der deutsche Sprachschatz innerhalb der letzten hundert Jahre um mehr als ein Drittel an Umfang zugenommen und bietet nun nicht mehr nur 3,7 Millionen Wörter, sondern sogar 5,3 Millionen. Man muss nur mit dieser Fülle umgehen können.
Meinungsforscher wollen uns glauben machen, wir wären zu 80 Prozent der Meinung, es sei gerecht, dass einer, der viel leistet, auch viel verdienen darf. Die rein quantitative Betrachtung der Arbeit ist jedoch dümmlich. Sie müsste natürlich ergänzt werden durch die qualitative Betrachtung: Wie unangenehm ist die geleistete Arbeit oder wie gut für die Gesellschaft? Auch danach müsste sich die höhere Bezahlung richten. Dann kämen beispielsweise Leichenwäscher, Klofrauen und Müllmänner endlich viel besser weg, nicht zu vergessen die ernsthaften Künstler, weil sie die Kultur bereichern.
Sagte mir jetzt eine passionierte Fernsehnutzerin seufzend: Wie verlegen stünde die Unterhaltungsindustrie da, wenn es das Dritte Reich nicht gegeben hätte.
Umsatz ist alles. Der Verband der augenoptischen Industrie stellt in seinem Jahresbericht mit Befriedigung fest, dass er es in enger Zusammenarbeit mit den Augenärzten und Optikern geschafft hat, die Bundesbürger zu 70 % mit Brillen zu versehen, obwohl nur ein kleiner Teil von ihnen an echten Augenschäden leidet. Besonders stolz ist man darauf, es den Leuten erfolgreich beigebracht zu haben, sogar am Mittagstisch und beim Spaziergang das Gesicht verglast zu lassen. Diesen Erfolg verdanke man vor allem, so heißt es, der Tatsache, dass völlig in Vergessenheit geraten ist, wie stark die Gewöhnung an die Brille die Sehleistung der Augen herabsetzt.
Immer wieder werde ich gefragt, welches mein erfolgreichstes Buch ist. Von den neueren Büchern ist das im Onlinehandel der historische Roman über den Jahrhunderte langen Kampf der Johanniter/Malteser gegen die Türken mit dem Titel „Favoritin zweier Herren“, im Einzelhandel die Romanbiografie „Perkeo – Der Zwerg von Heidelberg“. Was aber ganz sicher auch daran liegt, dass meine beiden neuesten Bücher noch nicht genügend bekannt gemacht worden sind, nämlich „Die Berechnung des Glücks“ und „Denk ich an Bagdad in der Nacht“. In jeder Buchhandlung!