636. Ausgabe

Ein Super-General, so ein Held, der vor lauter Orden kaum noch gerade gehen kann, obwohl er nur vom Schreibtisch aus kämpft und nur mit den Waffen Telefon und Computer, wenn der sich von dem Sex Appeal einer jungen Frau hinreißen lässt, dann beweist das nur, dass er immer noch ein Mann ist.

Gehen und laufen kann der Berliner nicht unterscheiden, das ist bekannt und wird großzügig hingenommen. Aber dass für Berliner das Bein ein Fuß ist, macht nachdenklich. Die Beschränktheit in der sprachlichen Differenzierung haben unsere Hauptstädter nämlich mit manchen Eingeborenenstämmen in tropischen Breiten gemeinsam. Was bei den Eingeborenen damit erklärt wird, dass für diese äußerst einfach gekleideten Menschen die Unterscheidung von Bein und Fuß keine Rolle spielt. Für die Berliner auch nicht, weil es für sie nur darum geht, dass etwas Hand und Fuß hat.

Als zu abschreckend weggedrückt. Neuerdings werden in der ADAC-Motorwelt die Warnungen vor der Begeisterung fürs Auto nicht mehr als das dicke Ende auf den letzten vier Seiten gezeigt. Jetzt verteilt man die Masse dieser Anzeigen für Treppenlifte und Badewannen mit Einstiegshilfen auf das letzte Sechstel des Heftes, unterbrochen von Redaktionellem, damit sie nicht mehr so störend sind.

Schafft die Unis ab! Die deutschen Fernhochschulen haben innerhalb eines Jahres ihre Teilnehmerzahlen um 12 Prozent steigern können, lese ich in der Zeitung. Und bedaure, dass es die Möglichkeit des Fernstudiums noch nicht gab, als ich studierte und feststellen musste, dass die Universitäten einem trotz hoher Semestergebühren kaum etwas bringen. Entweder blieb der Vortrag des Professors zu einem Spezialthema unfruchtbar, weil er in einem Zusammenhang stand, den einem noch niemand aufgezeigt hatte, oder er fiel aus, weil der Professor mal wieder zu einer Tagung abgereist war. So musste ich mir meine Kenntnisse außerhalb der Uni bei Repetitorien und in Lehrbüchern suchen.

Immobilienmakler, Zeitarbeitsfirmen, Literaturagenten, Repetitorien, Lohnsteuerhilfevereine, Car-Sharing-Dienste, Künstleragenturen, Nachhilfe-Institute und so weiter – so unterschiedlich ihre rechtlichen Strukturen und Preise sind, gemeinsam ist ihnen: Sie haben sich als kostspielige Serviceanbieter zwischen die Leistungserbringer und die Leistungsnutzer gedrängt und bemühen sich darum, in diesem Zwischenbereich unverzichtbar zu werden. Womit sie dem Wunderwort Service neue Bedeutung verleihen, eine nicht nur positive.

Im ehemaligen Ost-Berlin steht im Nikolaiviertel das wieder aufgebaute Ephraim-Palais. Die Fassadensteine des von den Nazis Mitte der dreißiger Jahre abgebrochenen Rokokopalais hatten im hohen Gras neben dem Kammergericht in West-Berlin gelegen, ordentlich nummeriert, bis der Regierende Bürgermeister Richard von Weizsäcker sie in den achtziger Jahren Ost-Berlin geschenkt hat. In der Erwartung eines Gegengeschenks, nämlich des Archivs der Königlichen Porzellan-Manufaktur, das auch bald kam. Wo die Steine gelegen hatten, steht nun das von Daniel Libeskind erbaute supermoderne Jüdische Museum, das größte seiner Art in Europa. In ihm wird an das Ephraim-Palais erinnert, jedoch ohne Hinweis darauf, wie Veitel Heine Ephraim (1703-1775), der Münzpächter Friedrichs II., an diesen prächtigen Wohnsitz gekommen war. Der Bankier war mit Anregung und Duldung durch seinen König ein immens reicher Mann  geworden, weil er so geschickt war, die Kriegszüge seines Königs zu finanzieren. Er hatte durch permanente Verringerung des Gewichts der Silbermünzen dafür gesorgt, dass sein König immer liquide war. Schon damals wurde Falschmünzerei, wenn sie im großen Stil betrieben wurde, nicht bestraft, vielmehr großzügig belohnt, so wie heute Banken mit Milliarden beschenkt werden, wenn sie Finanzkrisen auslösen.

Semantik in der Ehe. Dass der wesentliche Bedeutungsunterschied von zwei Wörtern, die beide mit A anfangen, nämlich Abwechslung und Alternative, nicht verstanden wird, ist der Grund für die meisten Ehescheidungen.

Letztes Haus an Grenze? Dass man einen so geläufigen modernen Begriff wie Biotonne auch falsch verstehen kann, hat sich jetzt dicht an der deutsch-polnischen Grenze gezeigt. In Görlitz hat jemand ein lebendes Kaninchen in die Biotonne geworfen, um es loszuwerden. Ein Glück für das arme Knabbertier, dass ein Nachbar es in der Tonne fand – wohlerhalten. Es hatte sich in der Zwischenzeit bio ernährt.

Übrigens: Wenn Sie diese seit fast siebzehn Jahren regelmäßig erscheinenden Kurztexte gerne lesen, dann darf ich wohl darauf hinweisen, dass diese kostenlosen Häppchen nur Appetit machen sollen auf meine Bücher, die Stück für Stück höchstens soviel kosten wie ein gutes Abendessen, aber viel nachhaltiger sind in der Wirkung. Wohl bekomm’s!

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