623. Ausgabe

In den USA hat man keinen Platz mehr in den Haftanstalten. Deshalb fängt man allmählich an, darüber nachzudenken, dass Häftlinge für den Steuerzahler viel zu teuer sind. Dreißig Jahr lang brachten die Richter in den USA immer mehr Menschen ins Gefängnis. Waren es 1980 von 100.000 Amerikanern noch 139, die einsaßen, waren es im Jahr 2010 schon 750. Ein großartiger Rekord. In Deutschland können wir nur mit 87 von 100.000 hinter Gittern mithalten. Also laufen bei uns mehr Verbrecher frei herum als jenseits des Atlantiks. Endlich habe ich einen guten Grund gefunden für die Auswanderung in die USA.

Dem amerikanischen Autoriesen General Motors geht es wieder richtig gut, nur die deutsche Tochter Opel vermasselt das Ergebnis. Dabei wäre unseren Opelwerken so leicht zu helfen. Die amerikanische Mutter brauchte ihnen nur zu erlauben, ihre Autos General Motors zu nennen statt Opel. So geil, wie die Deutschen auf alles sind, was englisch benamst ist, wäre der Verkaufserfolg garantiert.

Griechenland, die vielgerühmte und beweihräucherte Wiege der Demokratie, führt uns jetzt vor, wie man dieses Regierungsprinzip kaputt kriegt: Politiker an die Spitze bringen, die perfekt sind im Betrügen und Schuldenmachen und Geldverstecken sowie Wegducken, wenn es um Verantwortung geht. Fazit: Wir sollten Griechisch lernen! Aber bitte Altgriechisch und nicht Neugriechisch.

Bei der aktuellen Diskussion über den Erhalt des Urheberrechtsschutzes wird zu wenig bedacht, wer diesen Schutz tatsächlich genießt. Bei Büchern verrät der Schlüssel, nach dem der Netto-Ladenpreis (also der Verkaufspreis ohne MWSt) des Buches verteilt wird, schon alles: 35-55 % bekommt der Buchhändler, ebenso 35-55 % der Verleger, die restlichen 10 % der Autor, der das Buch ja bloß geschrieben hat. Davon muss der eine wie der andere und auch der Autor seine Betriebskosten decken und leben. Damit ist klar, dass es nicht nur um den Erhalt des Urheberrechtsschutzes gehen kann, sondern um den Schutz des Urhebers gehen muss.

Die deutsche Psychotherapeutenkammer meldet, uns fehlten viertausend Psychotherapiepraxen. Dazu sagt manch einer: Nur gut so. Ich sage: Wieder ein Beweis dafür, dass die amerikanischen Verhältnisse stets mit einigen Jahren Verspätung bei uns Einzug halten.

In Berlin fährt man als Tourist besonders gern mit den doppelstöckigen Bussen Nr. 100 und 200. Und selbstverständlich klettert man dann nach oben, um die Aussicht zu genießen. Manche Fahrer sind auch so begeistert von ihrer Stadt, dass sie über Mikrofon Hinweise geben, was rechts und links zu sehen ist. Dabei konnte ich nicht viel sehen, weil die Scheiben weitgehend zugeklebt waren mit Reklame für das Zweite Deutsche Fernsehen. Danke – verstanden: Das indirekte Erlebnis ist wichtiger als das direkte.

Tagtäglich fallen mir offiziell wirkende schriftliche Hinweise auf, die von Leuten angebracht wurden, die kaum Deutsch konnten. Ob es das Schild ist, das den Weg „Nach dem Bahnhof“ weist statt „Zum Bahnhof“, oder ob es die „Konrad Adenauer-Straße“ ist statt der „Konrad-Adenauer-Straße“, das Schild am Lift, das befiehlt „Aufzug im Brandfalle nicht benutzen!“ statt „Aufzug bei Brand nicht benutzen!“, oder der Hinweis „Notrufsender in keinem Fall ortsverändern“ statt „Notrufsender nicht entfernen!“ oder die Meldung des Geldautomaten: „Ihr Auftrag wird bearbeitet“ statt „Ihr Auftrag wird ausgeführt“ oder auf dem Umschlag für Postlagerndes: „Hier Ihre Briefsendungen“ statt „Hier die empfangenen Briefe“. Das heißt, dass man für Leute, die in der öffentlichen Verwaltung oder als Grafiker arbeiten wollen, spezielle Deutschkurse anbieten müsste.

Mobilität versus Immobilität: Mit unserem Mobilitätsgerede machen wir uns nur was vor. Wollen wir doch bei aller Ortsveränderung so bequem wie im heimischen Fernsehsessel sitzen. Ganz anders unsere Vorfahren. Die haben viele Stunden lange Fußmärsche gemacht, Tag für Tag, um zur Schule oder zur Arbeitsstelle zu kommen. Diese Leute waren noch immobil, das heißt, sie wohnten, wo sie geboren waren.

Die Sprache beschnüffeln. Unsere Sprache ist über und über gespickt mit Klischees, die im journalistischen Text belebend wirken und das Verständnis erleichtern, weil sie uns Bekanntes bieten. Beispielsweise die läufige Hündin, die ein gängiges Bild ist für eine sexbesessen umtriebige Frau. Der ernsthafte Schriftsteller dagegen darf Klischees nicht mit leichter Hand in seinen Text einstreuen. Er muss jedes Klischee so intensiv beschnüffeln, bis er es als falsch erkennt. Ist die Hündin, die heiß ist, in Wahrheit doch nicht läufig. Sie lässt laufen, nämlich die Rüden, die ihren Duft empfangen haben. Die lässt sie kilometerweit zu ihr hin laufen.

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