598. Ausgabe


Die Fragen, welche Risiken die Atomenergie und unser Ausstieg aus ihr beinhalten, hat unsere Regierung von einer dazu gegründeten Ethikkommission beantworten lassen. Eine Ästhetikkommission wäre noch passender gewesen. Also nicht auf eine Gruppe von Soziologen und Bischöfen, Wirtschaftler und Gewerkschafter hören, sondern lieber auf Maler und Friseusen, Landschaftsgärtner und Couturiers.

Vom Statistischen Bundesamt erfahren: In den letzten acht Jahren ist in Deutschland die Zahl der Rechtsanwälte um 42 % gestiegen, die Zahl der Staatsanwälte aber nur um 2 %, und die Zahl der Richter ist gleichzeitig um 4 % gesunken. Da kann man sich leicht vorstellen, mit welcher Verzweiflung die viel zu vielen Rechtsanwälte Streit suchen und die viel zu wenigen Richter die Akten immer oberflächlicher durchblättern müssen. Das zeigt: Auch mit staatlichen Einstellungsstopps für Juristen kann man einen Rechtsstaat ruinieren.

Zu viele Anwälte, da ist ja fast schon tröstlich, was die Süddeutsche Zeitung meldete: Jedes Jahr sterben in den deutschen Kliniken 30 000 Patienten allein wegen Hygienemängeln. Natürlich sind darunter auch Anwälte, aber das meinte ich nicht. Ich sehe vielmehr einen zu hebenden Schatz an Gerichtsverfahren.

Die Faszination, die der Fußball auf die Massen ausübt, ist rational nicht mehr zu fassen und nur noch mit einer Religion vergleichbar, also unausrottbar. Deshalb auch die immer wieder gezeigte Scheinbegeisterung von Spitzenpolitikern. Dabei weiß man doch längst, dass vom kleinsten Club bis hinauf zum größten Verein, der Fifa, massiv gemogelt wird und es den Bossen der Fußballmafia nur ums dicke Geld geht, nicht aber um die hehren Begriffe von Sport, Fairness, Körperertüchtigung, Integration und Völkerfreundschaft, die sie gern im Mund führen.

Wer in der Schweiz einen Schnäppchenkauf machen will, sollte nach Ascona fahren und sich dort in der Libreria Della Rondine umschauen. Eine atemberaubende Sammlung von deutschprachigen Büchern, von denen viele kaum noch irgendwo zu bekommen sind. Für 28 Fränkli habe ich dort den Roman „Pisana oder Die Bekenntnisse eines Achtzigjährigen“ des Italieners Ippolito Nievo erworben. Das erstaunlich lebenskluge Buch, das ein Siebenundzwanzigjähriger im Jahre 1858 geschrieben hat, ein promovierter Jurist und Kampfgenosse Garibaldis, der schon drei Jahre später bei einem Schiffsuntergang zu Tode kam, sechs Jahre vor der Veröffentlichung seines Buches. Was wieder einmal zeigt, dass in der Literatur das Prinzip gilt: Nichts ist unmöööglich.

Da soll einem nicht schwindelig werden! Die Hauptschule verschwindet, weil die Eltern sie nicht mehr haben wollen. Damit verschwindet endlich auch ein Etikettenschwindel, denn zu der Vorsilbe Haupt gab es nicht die Entsprechung Unter oder Neben. Nun sollen Hauptschule und Realschule zusammengelegt werden und dann Oberschule heißen. Die Oberschule hat dann allerdings auch nichts Entsprechendes zu der schmückenden Vorsilbe Ober, sondern ist selbst nur ein Unter des Gymnasiums. Unsere schwachsinnigen Kulturpolitiker, die uns schon die Rechtschreibdeform eingebracht haben, sind offenbar immer noch nicht alle im Ruhestand.

Die Alten bilden einen immer großer werdenden Teil unserer Gesellschaft. Doch wird Kinderlärm gesetzlich als Nicht-Lärm definiert, in den Kinos gibt es fast nur maßgeschneiderte Filme für Jugendliche, zudem ohne die Möglichkeit der Lautstärkenregelung per Fernbedienung, Kinderbücher sind die neuen Bestseller, und die Werbung ist fast ganz auf junge Menschen ausgerichtet. Entweder geht meine Uhr vor oder das Leben hängt nach.

In den USA waren viele christliche Fundamentalisten davon überzeugt, dass Jesus am 21. Mai dieses Jahres wieder auf die Erde kommen und dann die Menschen richten werde. Ein kalifornischer Prediger – dort gibt es halt zuviel Sonne – hatte den Tag der Apokalypse nach Bibelzitaten genauestens berechnet. Prompt meldete sich eine Firma im Internet mit dem speziellen Service-Angebot: „Sie widmen Ihr Leben Jesus. Sie wissen, dass Sie gerettet werden. Aber wenn Sie ins Paradies gerufen werden, was geschieht dann mit Ihrem Haustier?“ Die Firma betonte, dass ihre Angestellten auf der Erde bleiben müssten, da sie alle Atheisten seien. Deshalb könnten sie sich um die Haustiere der Geretteten kümmern. Für nur 135 Dollar pro Pet. Tatsächlich sollen 259 Personen die Dienste des atheistischen Unternehmens in Anspruch genommen haben. Viel schlimmer noch: Zahlreiche Gläubige hatten ihre Arbeitsstelle aufgegeben, Mietverträge gekündigt und sich von ihren Partnern getrennt. Und dann passierte nichts am 21. Mai. Was ich ihnen vorher hätte sagen können, heißt es doch in dem kölschen Karnevalslied: „Am dreißigsten Mai ist der Weltuntergang, wir leben nicht mehr lang, wir leben nicht mehr lang. Doch keiner weiß, in welchem Jahr, und das ist wunderbar.“

Die Stadt Orlando in Florida soll die Stadt mit den meisten Besuchern in den USA sein. Da können New York und San Francisco und New Orleans und und und sich noch so anstrengen, Großartiges zu bieten, gegen die Fülle von Themenparks à la Disney World, die sich bei Orlando etabliert haben, verblasst alles. Und jetzt kommt dort auch noch das größte Legoland der Welt dazu. Weltweit ist zu beobachten, dass es keine beliebteren Attraktionen gibt als derartige imitierte Welten, die überall gebaut werden. Kein Wunder, wird in ihnen das Vergnügen doch aseptisch und gefahrlos serviert, weil alles bestens organisiert und überwacht ist. Denkt man daneben an die Projekte der Weltraumforscher für künstliche Städte im All, daneben auch an die weit verbreitete Begeisterung für die Scheinwelten der Fantasyliteratur, dann erschauert man: The brave new world lässt grüßen – und alle, alle kommen.

Der Mai erwies sich wieder als der ideale Monat für Schafe, ihre Jungen zu werfen und ihre Wolle loszuwerden. Der ideale Monat war das auch für Arbeiter und Angestellte, einmal zu streiken, um das schöne Frühlingswetter zu genießen. Schafzüchter können wählen, ob sie eine Rasse von Schafen mit oder ohne Hörner halten. Die mit Hörnern sind besser anzupacken, doch kann man auch Verletzungen abbekommen. Arbeitgeber können nicht wählen, ob sie Leute einstellen mit Gewerkschaftspass oder ohne, sie dürfen nicht einmal beim Einstellungsgespräch danach fragen. Zudem kann das mit der Gewerkschaft auch noch später kommen, dagegen kriegen die hornlosen Schafe auch später keine Hörner. Schafzüchter haben es einfach besser.

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