Die Japaner haben eine für uns unverständliche Einstellung zur Atomenergie. Dabei waren sie die Opfer der ersten Großschlachtung von Menschen mittels zweier Atombomben. Doch haben sie Hiroshima und Nagasaki zu modernen Großstädten wiederaufgebaut, in denen heute Millionen Menschen leben, in dem Gebiet, das noch für unvorstellbar lange Zeit atomverseucht ist. In dem von einer Uranbombe zerstörten Hiroshima ist die Halbwertzeit etwas über 700 Millionen Jahre, in Nagasaki, das von einer Plutoniumbombe zerstört wurde, ist die Halbwertzeit nur etwas über 24.000 Jahre. Zudem haben die Japaner ihr Land auch noch mit 54 Atommeilern vollgestellt, die in diesem Super-Erdbebengebiet nicht einmal gegen stärkste Beben und höchste Tsunamis abgesichert sind. Das ist Masochismus im Extrem, wenn nicht gar Todessucht.
Französische Atomreaktoren dicht an der deutschen Grenze und ein französischer Präsident Nicolas Sarkozy, der sich gegenüber den Ausstiegswünschen der Deutschen als stolzer Nutzer einer übertrieben ausgebauten Atomabhängigkeit Frankreichs zeigt, das ist die neueste Variante der viel beschworenen Deutsch-Französischen Freundschaft.
Die deutsche Atomindustrie hat sich mit dem von ihr geprägten Begriff Brückentechnologie verraten. Angeblich ist damit nur gemeint, die bestehenden Kernkraftwerke müssten weiterarbeiten, bis sich die bei regenerativer Energiegewinnung heute noch bestehende Versorgungslücke geschlossen hat. Doch lässt eine Brücke eine Lücke nicht verschwinden. Sie verbindet die Brückenköpfe A und B unverrückbar. Und genau das ist von den Energieriesen gewollt, die sich hüten werden, den Ausbau der regenerativen Energie zu forcieren, weil es viel mehr Gewinn macht, die bereits gebauten Atommeiler weiterlaufen zu lassen.
Die Atomlobby hat die Sprache verändert. Das Wort sicher hat sie einfach verschwinden lassen. Sie ersetzt es durch seine Steigerung: Sicherer. Die jeweils nächste Generation von Atommeilern ist sicherer als die vorhergehende, heißt es. Aber eben nur sicherer. Dass die Steigerung sicherer weniger ist als sicher, genau wie ein älterer Mensch jünger ist als ein alter Mensch, das fällt dem dummen Volk nicht auf, sagen die Atombosse sich.
Zu all den Wahlen dieses Jahres kommen jetzt auch noch die Sozialwahlen. Ein besonderer Luxus, den wir uns alle sechs Jahre leisten, wenn mehr als 48 Millionen gesetzlich Renten- und Krankenversicherte aufgefordert werden, ihre Vertreterversammlung zu wählen. Zwar ist so gut wie alles rund um diese Versicherungen gesetzlich festgelegt, und über Beiträge und Leistungen entscheidet die Bundesregierung, aber ein demokratisches Mäntelchen muss dem Ganzen doch noch umgehängt werden, mit einem irrwitzigen Millionenaufwand, der zur Schonung unserer Nerven nicht genannt wird.
Genauso in Unwissenheit gehalten wird das dumme Wahlvolk über die Kosten des feierlichen Abschiedsempfangs, genannt Großer Zapfenstreich, für einen Mann, der strafbare Handlungen zugeben und deshalb von seinem Ministeramt zurücktreten musste. Die zu diesem Unfug geladenen 450 Ehrengäste haben Kosten verursacht, für die man glatt einen weiteren überflüssigen Panzer hätte kaufen können.
Pech für unsere Generalität, Waffenindustrie und Atomlobby: Die Bundeskanzlerin hat Nachhilfestunden in Latein genommen. Prompt hat sie den ehrwürdig alten Spruch übersetzt und sich übers Bett gehängt: Quidquid agis, prudenter agas et respice finem – Was immer du tust, das tue mit Überlegung und bedenke das Ende!
Deutsche Bundesländer, die die Studiengebühren abschaffen, erstatten den Hochschulen den gesamten Ausfall aus dem Steuertopf. Denn große Teile der Bevölkerung halten es für gerecht, wenn alle Steuerzahler für die Höherqualifizierung eines kleinen Teils der Bevölkerung zahlen. Das Argument ist: Die gesamte Gesellschaft profitiert davon. Aber was ist, wenn ich nun von Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und dem Land Berlin all die Studiengebühren zurückverlange, die ich vor vielen Jahren gezahlt habe? Mit dem Argument, dass ich doch soviel für die Gesellschaft getan habe und immer noch tue. Keine Chance. Denn gerecht ist nur, was den jeweils gerade Herrschenden in den Kram passt. Gerechtigkeit ist zeitabhängig.
Wer kennt sie nicht, die Gemälde, auf denen ein Stadtoberhaupt den Eroberern den Stadtschlüssel aushändigt? In Mannheim ging das erstmals in der Geschichte der Eroberungen per Telefon. Über eine intakt gebliebene Leitung vom Rathaus zum Wasserwerk im nördlichen Stadtteil Käfertal, das die von Norden vordringenden Amerikaner schon besetzt hatten, handelte eine städtische Telefonistin namens Gretje Ahlrichs mit den Amerikanern eine Feuerpause aus, damit sie einen der Beamten suchen und ans Telefon holen könnte. Der hat dann die Kapitulation Mannheims ausgesprochen. Per Telefon am Mittwoch, den 28. März 1945. Ein Denkmal aber gibt es bis heute weder für die kaltblütige Telefonistin noch für den Beamten. Nicht einmal ein Gemälde mit Schlüsselübergabe.
Jetzt ist mein Island-Roman „Der gemalte Tod“ erschienen. Frucht meiner Begeisterung für die ferne Insel im Nordatlantik, deren Menschen und Landschaften ich bei drei längeren Aufenthalten kennengelernt habe. Und die nächsten drei Wochen verbringe ich wieder dort, und zwar dicht am nördlichen Polarkreis, wo die teilweise authentische Handlung meines Romans spielt. Von dort kommt deshalb auch mein nächster Newsletter.