591. Ausgabe

In etlichen Ländern Nordafrikas und des Nahen Ostens wird das berechtigte Reformverlangen der Menschenmassen mit Schüssen beantwortet. Herrscher, die nicht wissen, dass jeder tote Demonstrant tausend neue Demonstranten aufstehen lässt, sind schon wegen ihrer erschreckenden  Dummheit fehl am Platz.

Die Leipziger, die es mit ihren mutigen und unermüdlichen Protestversammlungen geschafft haben, ein sozialistisches Terrorregime zum Teufel zu jagen, werden weltweit als leuchtende Vorbilder verehrt. Und was zunächst in Tunesien und Ägypten funktionierte – Masse gegen Macht –, das wird jetzt auch schon in Algerien, Libyen, Marokko und Bahrain, im Jemen und in Iran vorgeführt. Wenn es in einigen Jahren in all diesen und weiteren Ländern in jeder Hauptstadt einen Leipziger Platz gibt, wird der Städtetourismus ein neues Rundfahrt-Thema haben: Leipziger Allerlei.

Mit einem Verteidigungsminister, der zu dumm ist, wenigstens eine ordentliche Doktorarbeit einzureichen, können wir den nächsten Krieg nicht gewinnen, höre ich in der Kneipe. Dabei ist das nicht das Problem. Der von der Presse zum Übermenschen aufgebaute Karl-Theodor zu Guttenberg gefällt dem alten deutschen Untertanengeist, der nicht vom Adel loskommen kann, obwohl der seit 1919 abgeschafft ist. Wenn die Partei Die Linke oder die NPD es eines Tages schaffen sollte, einen Spitzenkandidaten mit Adelstitel zu präsentieren, hat sie gute Chancen, Regierungspartei zu werden.

Bei uns nimmt die Volksverdummung immer groteskere Formen an. Um die Frage, ob die Habenichtse unserer Gesellschaft 5 oder 8 Euro mehr Unterhalt pro Monat benötigen, stritten sich wochenlang dieselben Politiker, die längst nur noch Milliardenbeträge in den Mund nehmen und schon heimlich für den geschwätzigen Umgang mit der nächst höheren Zahleneinheit trainieren. Denn damit wird es kompliziert, weil für uns eine Billion tausend Mal mehr ist als für unsere Zwangs-Vorbilder, die Amerikaner.

Kein Wunder, dass das Renommee der Kanzlerin den Bach runter geht. Sie verdient einfach zu wenig. Damit ist sie schon fast eine von uns, also nichts Besonderes mehr. Bei einem Jahreseinkommen von läppischen 250.000 Euro kann sie nicht konkurrieren mit den affigen Typen von Film und Fernsehen, die das Mehrfache einstreichen. Erst recht nicht mit den Bonzen der Banken und Konzerne, die uns Jahr für Jahr viele Millionen Euro wert sind.

Manch einer wunderte sich über den Entschluss des Bundesbankpräsidenten Axel Weber, sein Amt vorzeitig aufzugeben und damit nicht mehr als Kandidat für das Präsidentenamt der Europäischen Zentralbank EZB zur Verfügung zu stehen. Dabei ist für Eingeweihte klar: Die zu D-Mark-Zeiten völlig von der Politik unabhängige Deutsche Bundesbank ist durch die Einführung des Euro und die Gründung der EZB weitgehend bedeutungslos geworden. Dahinter stand der dringende Wunsch von europäischen Regierungen, mehr Einfluss auf die Geldpolitik zu bekommen, sprich: mehr Schulden machen zu können. Das ist mit der EZB möglich, weil sie anders als die Deutsche Bundesbank nicht in völliger Unabhängigkeit von der Politik agieren kann. Was soll ein Mann wie Axel Weber, der sich der Stabilität des Geldes verpflichtet weiß, auf dem löchrigen Teppich EZB?

Zu komisch: Jeder von uns reist gern in die weite Welt hinein. Und er ist auch finanzkräftig genug, seine Reisen selbst zu bezahlen. Nur bei manchen Spitzenpolitikern reicht es trotz der Spitzengehälter offenbar vorne und hinten nicht. Da müssen immer mal wieder zahlungskräftige Konzerne oder ausländische Potentaten für Transport und Unterkunft einspringen. Sarkozy musste jetzt seinen Ministern vorschreiben, nur noch im eigenen Land Urlaub zu machen. Sind Europas Politiker wirklich so arm? Oder sind sie nur erschreckend dämlich?

Jetzt hat mich mein Finanzamt aufgefordert, wegen der hohen Kosten meiner vielen Recherchereisen und weil im Netzine alles kostenlos geboten wird,  meine Gewinnerzielungsabsicht – so heißt literarische Arbeit amtlich – deutlicher zu machen. Also muss ich noch eifriger recherchieren und schreiben. Mehr kann ich ja nicht tun. Wie schnell meine Bücher an den Ladenkassen umgeschlagen werden, ist von der Werbung abhängig, die von den Verlagen zu machen ist, und hängt von Ihnen ab, meine lieben Leser. Also bitte, eilen Sie zu Ihrer Buchhandlung und kaufen Sie im Interesse des Finanzministers Ihr nächstes Laufenberg-Buch!

Die Welt braucht dein Wissen nicht mehr, sagte mir ein Bekannter. Es sei doch alles im Internet zu finden. Tatsächlich steht bei Wikipedia soviel über den Film „Der Zauberberg“, den ich rezensieren wollte, dass es mich zum Verzicht auf diese Besprechung brachte. Doch ganz ohne mein Wissen bleibt das bei Wikipedia Gebrachte Mumpitz. Zum Beispiel wird dort erklärt, die Hauptfigur Castorp trage den Vornamen Hans, weil damit auf den Evangelisten Johannes und auf Johannes, den Lieblingsjünger Jesu, Bezug genommen werde. Doch hat es bekanntlich einen Evangelisten Johannes nicht gegeben, da die vier Evangelien jeweils Gemeinschaftsarbeiten mehrerer anonymer Autoren sind, deren Elaboraten man nur zur Unterscheidung die vier Männernamen gegeben hat. Und der Vorname Hans oder Johannes hat nichts mit dem Lieblingsjünger Jesu zu tun, sondern bezieht sich auf Jesu Vorläufer Johannes den Täufer. Ihm zu Ehren ist es seit Jahrhunderten üblich, einem Täufling den Namen des Täufers zu geben, wie bei Johannes Hesters und Hannes Wader, oder wenigstens als zusätzlichen Namen, wie bei Johann Sebastian Bach oder Johann Wolfgang Goethe, Hans Günter Winkler und Hans W. Geissendörfer.

Aber ein Wort doch zu Geissendörfers Film „Der Zauberberg“, den ich mir angesehen habe, zum Glück nicht im Kino, sondern auf DVD. Denn ohne die Möglichkeit, die krassen Lautstärkenunterschiede selbst zu regulieren, wäre ich wahnsinnig geworden. Ist der Film doch vom Ton her eine einzige Katastrophe. Aber vielleicht ist der Lärm nur die verdiente Strafe dafür, dass man es sich einfach machen wollte, Thomas Manns zweibändiges Riesenwerk „Der Zauberberg“ kennenzulernen. Ein Bildungsroman im wahren Wortsinne. Denn in diesem Buch hat Thomas Mann besonders ausgiebig seiner Liebhaberei frönen können, als der letzte Möchtegern-Universalgelehrte Bildungsbrocken aus vielen disparaten Wissensgebieten vor seinen Lesern aufzutürmen. In dem Lungensanatorium über Davos, in dem er die Handlung angesiedelt hat, standen ihm dafür genügend grundverschiedene Personen zur Verfügung, alle mehr oder weniger krank, nicht nur an der Lunge. Wie dankbar ist man beim Erleiden dieses Superfilms, als endlich der Erste Weltkrieg ausbricht und dem absurden Theater ein Ende macht.

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