3. Bericht

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Die Wüstenfahrt

m Taxi, einem Chevrolet-Geländewagen, für 220 US-Dollar von der jordanischen Hauptstadt Amman zur irakischen Hauptstadt Bagdad, gut 1.000 Kilometer. Eine Wstenfahrt bietet nicht viel Abwechslung. Um so genauer schaut man hin, wundert sich über die vielen schwarzen Vögel, die überall herumhocken und aufgeregt mit den Flügeln flattern. Die sich dann aber als Fetzen schwarzer Plastiktüte entpuppen. Kolkraben der Wüste. Eine üppige Population. Kaum zu unterscheiden von den überall herumliegenden schwarzen Reifenfetzen. Man fährt runderneuert. Hin und wieder eine kleine Schafherde mit Schäfer. Die Wollknäuel mit den Ewigkeitsblicken knabbern am Geröll, wo im Vorbeifahren nichts Grünes zu entdecken ist. Weiter abseits der Piste gelegentlich ein langgestrecktes graubraunes Nomadenzelt, daneben ein Pferch aus aufgeschichteten Steinen und ein Uralt-LKW mit Schutzgatter um die Ladefläche für den Transport der Schafe.

Road

Road

Im übrigen nur leere Tankwagen, die uns in irrer Eile überholen, und schwervolle Tankwagen, die uns entgegen ächzen. Nie im Leben so viele Tankwagen auf einmal gesehen. Alle Marken, aber in eindeutiger Überzahl Mercedes, schätzungsweise die letzten fünfzig Jahrgänge in allen Zuständen der Beinahe-Verrottung. Doch nicht nur gegen diesen Ölstrom fahren wir an. Neben uns eine Hochspannungsleitung, durch die auf Ölbasis erzeugter Strom aus dem Irak kommt. Unmittelbar vor der Grenze zum Irak sehen wir Vorbereitungen zum Bau von Flüchtlingslagern. Nach dem Passieren der jordanisch-irakischen Grenze notiert man: Die halbe Distanz geschafft. Aus der Steinwüste wurde Sandwüste. Der Hauptunterschied. Und die recht gute Straße gegen eine Art Autobahn eingetauscht. Der Fahrer hat erst einmal 200 Liter Sprit für 4.000 Irak-Dinar getankt, umgerechnet etwa 2 US-Dollar. Also das gelobte Land gefunden, das zwar nicht von Milch und Honig überfließt, aber von l.

Bagdad sehen und nicht sterben

Die letzten Kilometer der Autobahn vor der Metropole großzügig beleuchtet. Um einen auf das weiträumige Straßen- und Brückensystem einzustimmen, das in seiner Mehrdimensionalität imponiert. Statt der erwarteten Schtzengrben, neben den Straßen ausgehoben, sieht man über sich bunte Illuminierung: Sterne, Blumen und Leuchtgirlanden. Dann abseits der Straße die Baustelle einer neuen Moschee, wo sich ein gewaltiges Oktogon wie eine reife Frucht aufgeschnitten präsentiert. Auch noch am späten Abend sind auf den Straßen und Bürgersteigen Bagdads die Männer mit den Kehrbesen unterwegs. Ein Bild des Friedens.

Gleich am ersten Tag lese ich in der englischsprachigen Zeitung des Landes Iraq Daily, da die Bibliothek von Alexandria in Brand geraten sei. Welch ein Schreck. Beim Weiterlesen dann aber die Erläuterung, da nur ein einzelnes Stockwerk gebrannt habe und das im Verwaltungstrakt, so da kein einziges Buch zerstört worden sei. Beruhigung, aber auch Beschämung, weil mir selbst hier, in der raketenbedrohten 5-Millionen-Stadt, das Schicksal von Büchern den größten Schrecken eingejagt hat. In der ausländischen Presse, im Internet gelesen, der Kampf um eine weitere UN-Resolution. Dabei muß ich mich jetzt um Naheliegenderes kümmern. Weil die Wasserversorgung im Kuwaitkrieg zerstört wurde und noch nicht wiederaufgebaut ist, kann man das irakische Wasser nicht genießen. Das und nicht die amerikanische Superbombe ist die akute Lebensgefahr, in der man hier schwebt. Jedem Hotelgast werden deshalb täglich zwei Größflaschen Mineralwasser in den Kühlschrank gestellt, zum Trinken und zum Zähneputzen. Im übrigen gilt beim Anblick des üppigen Frühstücksbüfetts wie auch der Speisekarte die alte Devise der britischen Troupiers: Koch es oder brat es oder back es oder la es!

Im Hotel Al Rasheed ein Aushang der Organisation Human Shields. Bei ihrer gestrigen Zusammenkunft hat es Streit gegeben. Diese Idealisten aus aller Herren und Knechte Länder wollten Krankenhäuser und Altenheime durch ihre Anwesenheit schützen und kriegten zu hören, das sei nicht nötig. Solchen Institutionen werde schon nichts passieren, dagegen brauchten die Versorgungseinrichtungen für Wasser und Strom Beschützer. Da fühlte sich manch einer instrumentalisiert und beschloß seine Heimreise. Von den rund 300 Beschützern sind etwa Zweidrittel abgereist. Unter den verbliebenen rund hundert auch ein Deutscher. Mit der Etikettierung Idealisten macht man es sich wohl etwas zu leicht. Sind das doch die Menschen, die spüren, da die Herrschenden ihre Interessen ohne Rücksicht auf die Beherrschten durchpeitschen wollen, in der Diktatur wie in der Demokratie, und die daraus die Konsequenz ziehen, unter Einsatz ihres Lebens Rücksicht zu erzwingen. Schafft die Weltmeinung es nicht, diesen Krieg zu verhindern, werden diese Idealisten das empfinden, was die Soldaten beider Seiten und die irakische Zivilbevölkerung empfinden mssen: für die Körner, die zwischen die Mahlsteine geraten, ist der eine Stein so brutal wie der andere. Und zu was die Härte gut war, werden die Zermalmten nie erfahren. Das wird das Herrschaftswissen der immer besserwisserischen Historiker sein.

Ausflug nach Samarra

Nach Norden, den Tigris aufwärts in Richtung Tikrit, der Geburtsstadt des menschlich wie machtmäßig überlegenen Sultans der Kreuzzugszeit, Saladin. Auch Saddam Hussein betont gern, da er aus Tikrit stammt, doch kann er sich dieser Parallelitt nicht so recht erfreuen, weil die Lichtgestalt Saladin ein Kurde war, während er Araber ist und mit den Kurden seine spezielle Not hat. Ein Besuch Tikrits ist in der momentanen Situation nicht opportun, heißt es. Also nur bis Samarra, wo Sightseeing angesagt ist. In drei Drei-Liter-Staatskarossen brausen wir los. Nagelneue Wagen, verhängte Rückfenster, die hinteren Scheiben getönt. Die drei Fahrer sehr freundlich und angeblich keiner Fremdsprache mächtig. Trotzdem ist die Delegation sich sofort einig, da man sich jeglichen Kommentar in ihrer Gegenwart verkneift. Die drei Wagen rasen mit 100 km/h durch Bagdad, in engster Kolonnenfahrt, immer unter sechs Metern Sicherheitsabstand. Draußen auf der Landstraße schafft man das auch bei 140 160 km/h. Der schwarze Mercedes stets vorneweg, die beiden Hyundai hinterher. Mit Lichthupe und vollem Horn alles wegscheuchend, was störend in den Weg gerät. Und die Leute erkennen die Staatsmacht auf Anhieb und kuschen. Der Kontrast zu ihren mehr oder weniger vergammelten Rostautos ist ja deutlich genug. Hauptschlich uralte, verknitterte Japaner-Wgelchen, was hier herumfährt. Und verrottete VW-Taxis aus brasilianischer Produktion. Wenn ich sehe, wie die Leute mit Blechstreifen und Kordel und Riemen ihre Karossen zusammenhalten, die zwanzig und dreißig Jahre ihren Dienst tun mssen, gingen die guten Zeiten des Irak doch 1980 zuende, kann ich mir vorstellen, wie schwer der Alltag eines kleinen Händlers oder Handwerkers oder Taxifahrers hier ist. Wie sie vor dem Staatsgast das Steuer herumzerren und ihn erstaunt anstarren, das ist peinlich. An einem Kontrollposten auf der Landstraße wird die beschrankte linke Spur, wir fahren ja nur links, fällt mir auf, eilfertig für uns aufgerissen, der Posten salutiert vorschriftsmäßig.

Minarett

Minarett

Dann doch lieber Sightseeing. Samarra war nur wenige Jahrzehnte lang die Kalifenresidenz, und doch stehen dort die Überreste der einst größten Moschee der islamischen Welt. Daneben das berühmte Spiralminarett, 52 Meter hoch. Na, meinetwegen Schlag auf Schlag die touristischen Höhepunkte: Die ehemalige Kalifenresidenz und die Moschee mit der goldenen Kuppel. Es ist Neujahr, nach unserem Kalender der 4. März. für uns keine Möglichkeit, die Moschee zu betreten. Jedoch den Moscheehof, der voller Menschen ist, alle feiertglich herausgeputzt. Da stehen sie bei dem Kiosk an, um ihre Schuhe in Verwahrung zu geben, hier wäscht man sich die Füße, die Hände und Arme und den Kopf. In den Nischen der Auenmauer sitzt man familienweise beisammen, einen kleinen Teppich zwischen sich ausgebreitet und die mitgebrachten Ewaren darauf. Und niemand hat was dagegen, fotografiert zu werden. Auch nicht die Frauen.

Vorhof

Vorhof

ausruhen

ausruhen

Dagegen ist es nicht erlaubt, so wurden wir vorher ermahnt, während der Fahrt Aufnahmen zu machen. Verständlich, denn an der Straße stehen nicht nur die herrlichen alten Eukalypten und die einzelnen Palmen, hin und wieder sogar Weinstöcke, da sind auch schon einzelne kleine Rundwälle aufgeworfen, mit Sandsäcken auf der Krone, und da und dort Schützenlöcher gebuddelt worden, ebenfalls sandsackgesichert. Schließlich sogar eine richtige kleine Maschinengewehrstellung an der Hauptkreuzung. Auf manchen Gebäuden sind auf dem Flachdach Sandsäcke gestapelt, eine Mini-Abwehrstellung, vorzugsweise auf einer Hausecke, wo sich bei uns die Drosseln am liebsten hören lassen. Der Gedanke an die neuesten Superwaffen, mit denen Amerika das Land bedroht, läßt all diese Schutzmanahmen zu Juxnummern werden. Lauter Peinlichkeiten. Oder will man dem amerikanischen Präsidenten damit zeigen, da man ihn nicht ernstnimmt? Will man die Werbung für die höchstentwickelte US-Waffen-Produktion ins Leere laufen lassen, die gigantische Verkaufsschlacht, die schon begonnen hat, mit Sandsäcken ad absurdum führen? Jedenfalls dienen diese Schutzmanahmen von Gestern dazu, das Volk zu beruhigen, es wird ja was getan. Und notfalls sind sie auch dazu brauchbar, es mit Gewalt ruhig zu halten.


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