Shanty

Wenn sich auch die Seefahrt total verändert hat, was  sich nicht geändert hat, das ist zum einen die Sehnsucht nach der Ferne, zum anderen das schnelle Umschlagen in ihr Gegenteil, das Heimweh. Immer wollen wir das andere, das ist so menschlich. Die beiden Seiten der Medaille Sehnsucht, sie heißen Hinaus und Nachhaus. Sie sind es, die dem Seemannslied Shanty geradezu eine typische Struktur geben: In der ersten Strophe das Fernweh, in der zweiten die große Fahrt mit allerlei Erlebnissen und in der dritten das Heimweh. Denn der Shanty, gleich ob auf Hochdeutsch oder Plattdeutsch oder Englisch gesungen, er fasst ein allgemeines männliches Lebensgefühl in Worte. Der Shanty ist das Lied des Mannes, der allen Bindungen zum Trotz noch nicht total domestiziert ist. Und wenn wir in einem Bild darstellen wollen, was unser Leben ist, dann ist der Seemann die passende Parabel. Nicht der Clown, der Harlekin. Viel zu pessimistisch, dieses lachende Gesicht des tieftraurig Wissenden. Auch nicht der Vagabund, viel zu überlegen und zu unbekümmert, zu verantwortungslos. Nein, der Seemann ist die passende Darstellung unseres Lebensgefühls: zuverlässig arbeiten und singen und einen heben und sich doch immer nach etwas anderem sehnen (vgl. Sehnsucht).

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