Misfits – Nicht Gesellschaftsfähig

(The Misfits, USA 1960/61, 125 Minuten, Regie: John Huston, Drehbuch: Arthur Miller)

Bei diesem Film stolpert man schon über den deutschen Titel, weil die Übersetzung falsch ist. Unter nicht gesellschaftsfähig versteht man im Deutschen ein Verhalten, das gegen die guten Sitten verstößt. Also im Blaumann zur Hochzeitsfeier erscheinen, als Besucher die Mütze auf den Tisch legen, dem Bischof freundschaftlich auf die Schulter hauen. So was tut man in der feinen Gesellschaft nicht. Der Dramatiker Arthur Miller (1915- 2005) meinte so was aber nicht, als er seiner Kurzgeschichte wie auch dem danach erarbeiteten Filmdrehbuch den Titel gab: The Misfits. Es ging ihm nicht um die Belanglosigkeit richtiger Umgangsformen. Mit Misfits sind vielmehr die nicht angepassten Menschen gemeint, kurz gesagt: Die Außenseiter.

Fast hätte dieser Film den Titel verdient: „Ein Lied vom Tod.“ Denn die beiden Stars, Marilyn Monroe und Clark Gable, zeigen sich auf dem Höhepunkt ihres schauspielerischen Könnens – und sterben kurz danach, Clark Gable schon vor der Uraufführung dieses Films, Marilyn Monroe ein Jahr später, ihre Ehe mit Artur Miller aber sofort.

Der erfolgsverwöhnte Dramatiker Arthur Miller, der mit der umschwärmten Schauspielerin Marilyn Monroe verheiratet war, wollte seine Frau über die Stufe des Sexsymbols hinausheben, hinein ins Charakterfach. Er bezeichnete es als ein Geschenk, dass er sich für sie hingesetzt hatte, um ihr ein Drehbuch auf den Leib zu schreiben. Mit diesem Geschenk hatte er sie jedoch überfordert. Denn die Ehe zerbrach über den Dreharbeiten, die sich durch die Unzuverlässigkeit der Hauptdarstellerin ungewöhnlich in die Länge zogen. Dem Betrachter des Films wird zwar eine Frau gezeigt, die auch sehr ernst sein kann und entschlossen für das Gute, Edle und für die Schonung der Tierwelt kämpft. Doch auch dabei bleibt ihrem Gesicht der etwas dümmliche Ausdruck, der den Typus der dummen Blondine geprägt hat.

Die Story ist schnell erzählt. Eine junge blonde Roslyn, begleitet von ihrer älteren Freundin Isabelle, für die Scheidungsbegleitung und Scheidungsfeiern ein Hobby ist, trifft unmittelbar nach ihrer Scheidung in Reno, Nevada, auf zwei Männer, die sich weigern, als Lohnsklaven in fester Stellung zu arbeiten. Sie empfinden sich noch als echte Kerle. Der ältere ist ein Cowboy ohne Pferd und ohne Kühe. Der andere hilft gelegentlich in einer Autowerkstatt aus und hat ein altes Flugzeug, mit dem er Jagd auf Adler macht, weil er für jeden getöteten Adler fünfzig Dollar bekommt. Um an Geld zu kommen, planen die beiden, mal wieder wie in früheren Zeiten auf die Jagd nach wilden Mustangs zu gehen. Dazu brauchen sie jedoch noch einen weiteren Mann. Den finden sie in einem jungen Kerl, der sich, weil ihm sein Stiefvater die elterliche Ranch weggeschnappt hat, sein Geld damit verdient, dass er sich bei Rodeos von schmerzgepeinigten Pferden und Stieren abwerfen lässt. Die drei imponieren der blonden Roslyn, und alle drei verlieben sich in sie. Für die Freundin Isabelle hat der Film keine Verwendung mehr, weswegen sie ins Normalleben zurückkehrt.

Die Mustangjagd findet statt, mit einem alten Pritschenwagen und dem Flugzeug. Und mit Roslyn als verängstigtem Gast. Dabei wird klar, die sechs Wildpferde, die der Flieger ihnen zutreibt, sind ein Hengst und vier Stuten sowie ein Fohlen, also eine kleine Familie. Es geht aber nicht mehr darum, sie einzufangen, um sie zu bändigen und zuzureiten. Die Männer taxieren die Pferde nur nach Gewicht. Für diese Sechsergruppe würden sie etwa 150 Dollar bekommen, und zwar von der Fabrik, die die Mustangs zu Hundefutter in Dosen verarbeitet. Die Lassos fliegen, die Mustangs wehren sich mit allen Kräften und bleiben schließlich doch gefesselt am Boden liegen. Da läuft Roslyn zur Großform auf. Sie beschimpft die bisher bewunderten Männer als Mörder und fordert die Freilassung der Tiere. Und der Cowboy gibt schließlich nach. Sein wilder Kampf mit dem Hengst, den er von seinen Fesseln befreien will, entwickelt sich zu der wohl anstrengendsten Rolle, die Clark Gable je gehabt hat, weil der Regisseur John Huston durchgesetzt hat, dass mit wirklich wilden Pferden gedreht wird. Diese Szene Mann gegen Mustang ist eindeutig der Höhepunkt des Films, mit dem Arthur Miller seine Frau beschenkt hatte, um ihr weiterzuhelfen.

Im Übrigen aber ist der Film „The Misfits“ ein großer Abgesang auf Ehe und Familie, auf Freiheit und Heldentum, auf Männlichkeit, auf die Cowboyromantik und die Tierliebe. Ein anerkannter Schriftsteller wollte mit einer kritischen Gesellschaftsanalyse seine Frau aufbauen, die er aber darüber verlor. Die Filmgeschichte erntete damit ein sarkastisches Bild der Gegenwart und einen doppelten tragischen Schlussakt. Dem Zeitgemälde der amerikanischen Verhältnisse Mitte des 20 Jahrhunderts gab der Autor mit einem ironischen Schlussdialog den letzten Glanz: Roslyn hat sich für den Cowboy, die Vaterfigur, entschieden, fährt mit ihm im Wagen in die Nacht hinein und fragt, wie er den richtigen Weg findet. Worauf er antwortet, er fahre immer gerade auf den einen Stern zu, auf den er zeigt. So kämen sie ganz sicher nach Hause.

(Walter Laufenberg am 12. 8. 2012 in: www.netzine.de; siehe auch die frühere Besprechung dieses Films unter dem Titel “Nicht Gesellschaftsfähig”)

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