(Königliche Hoheit, BRD 1953, 105 Minuten, Regie: Harald Braun, Drehbuch: Hans Hömberg und Georg Hurdalek, frei nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Mann)
Ob man es glauben will oder nicht, der junge Thomas Mann (1875-1955) hat mit seinem zweiten Roman dem damals regierenden deutschen Kaiser Wilhelm II. gehuldigt, wie der Film dem erstaunten Betrachter zeigt. Denn er hat gezeigt, wie ein mit einem verkümmerten linken Arm geborener Prinz, der nur zu steif-repräsentativem Auftreten erzogen war, die Liebe einer amerikanischen Millionärstochter gewann und dadurch ein von seinem Volk geliebter Herrscher wurde. Im Buch ist das Goldmädchen Imma sogar eine Milliardärstochter, und der Prinz gewinnt sein Volk nicht nur durch ihre hübsche Fratze, sondern durch seine ernsthafte Beschäftigung mit den Wirtschaftswissenschaften und durch die Umsetzung seiner Erkenntnisse zugunsten der kleinen Leute. Das war für den Film nicht interessant. Dabei macht das die Huldigung erst rund. Hat Wilhelm II. doch tatsächlich etliche soziale Reformen eingeführt, die noch über das epochale Sozialwerk Bismarcks hinausgingen. Schon bei dem Bergarbeiterstreik vom Mai 1889, dem ersten Massenstreik der deutschen Geschichte, hat er zugunsten der streikenden Arbeiter interveniert. Anschließend hat er sich erfolgreich um die Verbesserung des Arbeitsschutzes und die sozialen Rechte der Arbeiter bemüht. Das alles hat man später unter dem Eindruck des dummen Hineintorkelns in den Ersten Weltkrieg, der Niederlage Deutschlands und des schmählichen Rückzugs des Kaisers ins holländische Exil vergessen. Seitdem war Wilhelm Zwo, der Mann mit den großen Sprüchen von der schimmernden Wehr, mehr eine Spottfigur als ein Liebling des Volkes. Soviel zu der auffälligen Ähnlichkeit der Romanfigur mit dem körperlichen Handicap zu dem an der gleichen Behinderung leidenden deutschen Kaiser.
Die Frage ist: Was war an diesem Jugendwerk Thomas Manns so wichtig, daß man es im Jahre 1953 verfilmen mußte? War das noch ein Vorbild der wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung für die Menschen, die gerade mit dem Wirtschaftswunder begonnen hatten, das aber durch ihren Fleiß und nicht durch die geschenkten Millionen eines amerikanischen Mister Moneymaker? Oder war das ein später Nachhall der Thematik des 19. Jahrhunderts, als es noch um die Mesalliancen zwischen Adel und Bürgerlichen ging? Oder wurde hier auf die neue gesellschaftliche Umwälzung hingewiesen, die Ablösung des Geburtsadels durch den Geldadel? Oder aber brauchte man eine neue Version des Melodrams vom Studenten-Prinz in Heidelberg? Oder sollten wir mit einem neuen Kleinen Prinzen beschenkt werden? Das zu beantworten bleibt dem jeweiligen Betrachter überlassen.
Der Film bringt eindrucksvolle Bilder vom Hofleben, von der Kälte der Paläste, von der albernen Militärverherrlichung, von den Winkelzügen der Hofschranzen. Im übrigen handelt es sich um eine schlichte Love-Story mit Happy-End in aufwendiger Verpackung. Und das Problemchen, daß eine reiche Erbin nie weiß, ob man wirklich sie liebt oder ihr Geld, ist ja immer amüsant.
Daß hinter diesem Film ein großer Autor steht, erkennt man an Kleinigkeiten wie den Grimmburger Rosen, deren Besonderheit ihr Moderduft ist, oder dem Ausspruch des Prinzen: „Wir werden immer von weitem geliebt“ oder dem Lehrer des Prinzen, dieser personifizierten Strenge, dessen Schlachtruf war: „Keine Bummelei des Glücks!“
Viel mehr von der faszinierenden Ausdrucksweise des Dichters, diesem permanenten Understatement in Ironie, hat der Film leider nicht zu bieten, gerade nur noch einige schön spitze Formulierungen in den Dialogen. Die viel zu ausführliche Darstellung der Lebensverhältnisse in Grimmburg vermißt man nicht. Thomas Manns Manie, sein angelesenes Wissen oder auch das seinen Freunden abgefragte Wissen in seinen Büchern auszubreiten, ist natürlich nichts für den Kinofilm. Leider verzichtet der Film aber auch auf das komische Gespräch mit dem Dichter Axel Martini. Und das Gespräch mit dem jüdischen Arzt Dr. Sammet fehlt genauso wie der neurotische Hund Perceval. Doch wer sich von diesem Film dazu ermuntern läßt, das Buch aufzuschlagen und irgendwo mit der Lektüre zu beginnen, der hängt fest und liest und liest und liest – und ist dem gesamten Filmteam dankbar für diesen köstlichen Aperitif auf Zelluloid.
(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)