Forrest Gump

(Forrest Gump, USA 1994, 136 Minuten, Regie: Robert Zemeckis, Drehbuch: Eric Roth nach dem gleichnamigen Roman von Winston Groom)

Ein amerikanischer Film, der mit Oscars und Golden Globes nur so überschüttet wurde und dessen Einspielergebnis die Produktionskosten um ein Mehrfaches überstieg. Allerlei Stücke der Filmausstattung werden heute in diversen Museen vor allem in Amerika als Devotionalien bewundert. Da fragt man sich, warum? Liegt es daran, dass die generellen Aussagen dieses Films über das Leben besonders aufschlussreich sind? Mehrfach wird ja der Spruch der alleinerziehenden Mutter der Hauptfigur Forrest Gump zitiert: „Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man bekommt.“ Also beste Hausfrauenphilosophie. Dazu passt die Vogelfeder, die vom Wind hierhin und dorthin bewegt wird. Sie umrahmt mit ihrem richtungslosen Fliegen die Filmhandlung. Der Leutnant Dan aber betont immer wieder, dass jeder Mensch sein Schicksal habe. Und dieses Schicksal, nämlich den ruhmreichen Heldentod in Vietnam gestorben zu sein, hat ihm sein Untergebener Forrest Gump gestohlen, als er ihn aus dem Feuer geholt hat. Die Grundsatzfrage, was das menschliche Leben ist, wird also mehrfach gestellt, bleibt aber leider offen.

Stattdessen wird das moderne Leben in all seinen Facetten geschildert, wohlgemerkt das amerikanische Leben. Der Ich-Erzähler, der im Süden der USA auf einer Bank sitzt und auf den Bus wartet, erzählt anderen Wartenden von sich und seinem Leben. Der junge Gump hat den Vornamen Forrest bekommen in Verehrung für den Südstaatengeneral Nathan B. Forrest, der später einer der Gründer von Ku Klux Klan wurde. Der junge Forrest ist von Natur aus mit einem Intelligenzquotienten von nur 75 ausgestattet und somit nach Meinung einer Schuldirektion nur für die Hilfsschule  geeignet. Das aber akzeptiert seine Mutter nicht. Sie lässt sich nicht von dem Ziel abbringen, ihren Sohn zu einem Großen zu machen. Dabei muss der wegen Schwierigkeiten mit der Wirbelsäule auch noch jahrelang Beinschienen tragen und deswegen viele Feindseligkeiten der anderen Kinder erdulden. Dann aber entdeckt er – ohne Beinschienen – sein Lauftalent. Er ist schneller als alle anderen. Damit ist er für die Ambitionen der amerikanischen Bildungsanstalten richtig und schafft als gefeierter Footballstar auf Anhieb den Collegeabschluss. Er erlebt und überlebt als Freiwilliger den Vietnamkrieg, gerät durch Jenny, seine Freundin aus Kindertagen, in Hippiekreise und Friedensdemonstrationen sowie in Streit mit einem Mitglied der Black-Panther-Bewegung. Zufällig entdeckt er sein Talent für Tischtennis und wird einer der Heroen der amerikanisch-chinesischen Ping-Pong-Diplomatie. Er trifft etliche Berühmtheiten Amerikas und macht aus Versehen Geschichte. So löst er den Watergateskandal aus. Hatte er schon als kleiner Junge mit Beinschienen Elvis Presley zu seinem Beckenschwung animiert, so beeindruckt er nun in der Dick Cavett Show John Lennon.

Forrest Gump ist ein gutmütiger und großer, starker Mann, der jedem hilft. Nur kann er nicht leiden, dass man ihn als dumm beschimpft. Dann wird er wild. In Vietnam schwört er seinem schwarzen Kameraden Bubba die Treue, einem ebenfalls leicht debilen Gemütsmenschen, der Shrimpfischer war und nach dem Krieg gemeinsam mit ihm die Shrimpfischerei betreiben will, den Krieg aber nicht überlebt. Also wird Forrest nach dem Krieg ohne jede Kenntnis Kapitän eines Shrimpkutters. Zusammen mit seinem ehemaligen Vorgesetzten, dem beidseitig beinamputierten Leutnant Dan, wird er der superreiche Chef der Bubba Gump Shrimp Corporation, der mit seinen Profiten sogar bei Apple einsteigen kann. Schließlich läuft er nur noch jahrelang durch das Land, läuft und läuft und wird dafür bewundert und weiß den Presseleuten keine plausible Antwort zu geben auf die Frage, warum er läuft. Doch schließen sich immer mehr Leute seiner Lauferei an. Zuletzt kommt er doch noch mit Jenny zusammen, seiner Freundin aus Kindertagen. Er wird Vater eines klugen Jungen und nach Jennys frühem Tod durch eine tückische Krankheit, vermutlich AIDS, ein alleinerziehender Vater.

Der Streifen ist alles in allem sehr unterhaltsam gemacht. Vor allem sehr abwechslungsreich. Bestaunt wurde damals der Einsatz modernster technischer Verfahren, mit denen die Filmfigur Forrest Gump in Originalfilmszenen mit amerikanischen Präsidenten eingeblendet wurde.

Der Film basiert auf dem 1986 erschienenen Roman „Forrest Gump“ des 1943 in Washington D.C. geborenen amerikanischen Schriftstellers Winston Groom. Ein Name, den man sich wohl merken sollte. Und das nicht nur, weil nach dem Buch und zwei Jahre nach seiner Verfilmung die Bubba Gump Shrimp Corporation ins Leben gerufen wurde, eine Restaurantkette, die in einem Roman geboren wurde. Dass Literatur die Wirklichkeit gestaltet, kommt ja gelegentlich vor. Die Bedeutung von Grooms Buch ist aber wohl noch viel  höher einzustufen. Braucht doch jede Nation ihr Nationalepos, und man kann sagen, dass Winston Groom mit „Forrest Gump“ das amerikanische Nationalepos geschrieben hat. Was natürlich nur eine Satire werden konnte. Denn der Autor und ehemalige Vietnamkämpfer hat eine geschichtliche Epoche der USA in all ihren oft lächerlichen Erscheinungsformen dargestellt. Dass er von dem finanziellen Erfolg des Films nichts abbekommen hat, ist nicht ungewöhnlich. Für die Herrschaften vom Film blieb er der Stallbursche, der ihnen nur zugearbeitet hat. Dass bei den vielen Preisverleihungen für diesen Film der Autor des Buches, also der Ideengeber, nie genannt wurde, muss man wohl als ein Zeichen von besonderer Bescheidenheit der Filmschaffenden verstehen. Sie wollten nicht damit renommieren, Bücher lesen zu können.

(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)

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