Easy Rider – Die wilden jungen Männer

(Easy Rider, USA 1969, 95 Minuten, Drehbuch: Peter Fonda, Dennis Hopper, Terry Southern; Regie: Dennis Hopper; Produktion: Peter Fonda)

Was der Kinobesucher nicht oder nur bruchstückweise mitkriegt, den Inhalt der Songs („Born to be wild“ u. a.), die das majestätische Rollen der beiden Motorräder begleiten, das ist die Erklärung, die hinter dem Ganzen steht. Die alte Woodstock-Verkündung. Es geht um die Freiheit, die Ungebundenheit, das weite Land. Und es geht um den Marihuana-Joint, der einem Flügel verleiht, den man aber nicht für sich behält, sondern weiterreicht. Selbstverständliches Sozialverhalten auch beim verbotenen Genießen. Das alles in dieser stimulierenden Art gebracht, als wohlgemeinter Rat, als fröhlich ultimative Aufforderung wie das „Let the sunshine in“ des Musicals Hair.

Zwei junge Männer haben sich diese Freiheit genommen und sich auf ihre schweren Harley-Davidson-Maschinen gesetzt, um von Los Angeles nach New Orleans zu fahren, weil dort Mardi Gras, der Karnevalsrummel, so besonders toll sein soll. Nur kurz und wie nebenbei wird am Anfang gezeigt, wie sie als Zwischenträger mit Kokain ein dickes Geschäft machen. Viel Geld und genügend Stoff für den Eigenbedarf gut verpackt im Tank versteckt, so lockt die große Freiheit.

Die Fahrt durch den Süden der USA ist eine Fahrt durch grandios wirkende endlose Leere. Die beiden erobern sich ihr Amerika. Nicht zufällig trägt der eine auf seiner Jacke, seinem Helm und dem Tank die US-Flagge. Der andere trägt stattdessen einen zotteligen  Schnauzbart und schulterlange Haare, unübersehbar: Der Ausgestiegene. Dazu bewundernswerte Kamerafahrten und ein 360-Grad-Schwenk, auf die vorgegebene Musik geschnitten. Alles ein Genuss fürs Auge wie fürs Ohr.

Einmal treffen die beiden auf eine Familie von Frömmlern, die sie so erstaunt betrachten wie sie betrachtet werden. Dann ist es eine größere Landkommune, die die beiden und den aus Freundlichkeit vom Straßenrand mitgenommenen Hippie als Gäste aufnimmt. Dabei haben die Leutchen selbst fast nichts zu essen. Sie sind gerade erst bei der viel zu späten Aussaat. Sie leben von frommer Hoffnung und von den Auftritten der Theatertruppe, die man gebildet hat. Zunächst nur Staunen über fremdes Leben, doch dann rollen die beiden Ausflügler von einer Gefahr in die nächste. Eingesperrt, nur weil sie mit ihren Maschinen einen Festumzug gestört haben, aber befreit von einem versoffenen Anwalt, der mit ihnen weiterfährt, weil ihm das freie Leben der beiden imponiert. Dann aus einem Restaurant vergrault, weil die Leute gegenüber den wild aussehenden Fremden eine drohende Haltung einnehmen. In der nächsten Nacht unter freiem Himmel werden die Schlafenden überfallen und brutal mit Knüppeln bearbeitet. Der Anwalt bleibt tot liegen, die Fahrt der beiden geht weiter nach New Orleans. Dort sind sie zwischen den Maskierten die einzig Auffälligen. Sie wissen mit Prostituierten nichts anzufangen, und der Friedhof wird ihnen im LSD-Rausch nur zu einem verwirrenden Erlebnis. Wir sind nur Blindgänger, so der eine. Und der andere versteht nichts. Auf der Rückfahrt werden sie einer nach dem anderen aus einem sie überholenden Lieferwagen ohne jeden Anlass mit einem Gewehrschuss liquidiert. Ein Schock-Ende.

Da fragt man sich: Was sollte das? Was als das Hohelied auf die unbegrenzte Weite und Freiheit Amerikas begann, wurde dem Zuschauer bald fragwürdig. Zwar taten die beiden Motorradfahrer keinem Menschen etwas zuleide, doch sie waren ohne Bedenken im Drogenhandel tätig geworden. Ihre Fahrt diente keinem vernünftigen Zweck, und ihr Gerede war nichts als dummes Zeug, doch sahen sie ungewöhnlich aus. Aber genügte das für das schockierende Ende, das absolut sinnlos ist?

Es ist erstaunlich, dass im Jahre 1969 in Hollywood ein Film entstehen konnte, der so schonungslos kritisch mit den USA umging. Der so offen zeigen konnte, dass religiöse Begeisterung genauso in eine Sackgasse führt wie das Aussteigertum der Hippies. Und dass der Nonkonformismus der wilden jungen Männer die nur scheinbar anständigen und ordentlichen Menschen in Hass versetzt und zu rabiater Abwehr provoziert. In den Südstaaten der USA ist ein easy rider einer, der als Freund einer Nutte kostenlos bedient wird. Doch dürfte dieser nur partikulär geltende Hintersinn des Filmtitels nicht die Erklärung des Ganzen sein. Eher anzunehmen, dass der Leitsatz des amerikanischen Lebens, easy going, in easy riding umgeformt und konkretisiert wurde. Was man beinahe als einen Aufklärungsfilm über die Gefahren des Drogenkonsums ansehen könnte, vermutlich für die Geldgeber auch so angekündigt war, das war in Wahrheit ein J’accuse. Man kann es kaum deutlicher darstellen, als mit diesem Streifen, was ein Grundzug des amerikanischen Nationalcharakters ist, nämlich die Brutalität.

Kein Wunder, dass mit diesem ungewöhnlich ehrlich auftretenden Film der Autorenfilm seinen Anfang nahm. Das traditionelle Hollywood mit seiner totalen Abhängigkeit von den Banken hätte diesen Anti-Establishment-Film niemals hervorbringen können. Doch waren diesmal die Darsteller gleichzeitig die Autoren des weithin nur improvisierten Drehbuchs und auch Geldbeschaffer und Produzent. Weil der Regisseur Dennis Hopper für die Finanzierung dieses kritischen Films kaum Geld einsammeln konnte, war der Produzent Peter Fonda gezwungen, einen Low-Budget-Film zu drehen. Dass dieses Billigprodukt trotzdem zum vielgerühmten und auch finanziell enorm erfolgreichen Kultfilm wurde, zu dem unvergänglichen Road Movie, und dass der Begriff Easy Rider zum Synonym für das freie, leichte Leben wurde, das lag aber sicher weniger an den gelegentlichen kritischen Statements der vier Aussteiger-Typen als an den schönen chromblitzenden Böcken, auf denen sie saßen.

(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)

Dieser Beitrag wurde unter Filmbesprechungen veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.