Das Streben nach Glück

 

(The Pursuit of Happyness, USA 2006, 113 Minuten, Drehbuch: Steve Conrad nach dem gleichnamigen autobiografischen Buch von Chris Gardner, Regie: Gabriele Muccino, Hauptdarsteller: Will Smith)

 

Ein schrecklicher Film. Er präsentiert zunächst eine junge Familie, die an der Erfolglosigkeit des Mannes, der sich als freier Handelsvertreter abrackert, und am Alltagsmanagement beim Hin- und Herbringen des Söhnchens zerbricht. Zweieinviertel Menschen völlig vereinsamt und verlassen in der wabernden Menschenmasse von San Francisco. Die Frau, die in einer Wäscherei schuftet, gibt schließlich auf und verlässt – nicht ganz glaubhaft – schweren Herzens Mann und Kind. Der schafft weiterhin zu selten einen Verkauf des medizinischen Gerätes, auf das er hereingefallen ist, und das von den potentiellen Käufern, den Ärzten, als gut, aber überflüssig und zu teuer abgetan wird. Also kein Geld. Zudem gibt es keine anderen Familienangehörigen, die helfen könnten, auch keine Freunde.

Dann wird der junge Mann in seinem rastlosen Eifer zur absoluten Sympathiefigur aufgebaut. Ein Mann von überragender Intelligenz, aber ein Farbiger und Obdachloser und das perfekte Vatertier. Diese Sympathiefigur mit ihren guten Absichten und der liebevollen Fürsorge für den Jungen will auf einmal Anlageberater werden. Weil er so einen Erfolgsmenschen aus seinem Superwagen aussteigen sieht und einfach anspricht. Das ist die Chance, die er wahrnehmen will. Daraufhin lässt der Film ihn endlos lang gegen die Wand rennen, gegen eine Wand nach der anderen.

Dabei wiederholen sich Situationen, etwa beim Schlangestehen vor dem Obdachlosenasyl oder beim Rennen über die verkehrsreiche Straße, die schon beim ersten Mal eindrucksvoll genug sind. Also Überlänge. Während solche retardierenden Elemente sonst als langweilig leicht hingenommen werden, sind sie hier für den Betrachter des Films reiner Terror.

Und das alles beim Streben nach Glück, the Pursuit of Happiness, wie es in der Verfassung der USA heißt? Der Hinweis auf Thomas Jefferson, den Autor dieses Satzes, wird zwar gebracht, dann aber durch die mehrfachen Hinweise auf einen Schreibfehler (Happyness) an der Wand des Kinderhorts veralbert. Was dabei untergeht, ist die hochoffizielle Verhöhnung des Volkes, dem die Verfassung ausdrücklich nicht ein Recht auf Glück bietet, sondern nur ein Recht auf das Streben danach.

Und was ist dieses Glück? Das Glück heißt Geld, Geld, Geld. Alle anderen Glücksvorstellungen bleiben ausgeblendet. Nicht die geringste Erinnerung an Hippietum oder an franziskanischen Geist. Dabei hätten solche gelegentlichen Blicke nach allen Seiten die Überlänge des Films rechtfertigen können. Auch sind genügend asiatische Gesichter in den Menschenmassen zu erkennen, doch kommt kein einziger Hinweis auf fernöstliches Denken und konsequentes Andersleben.

Den Betrachter hemmungslos seelisch zerquetschen, das war schon in den Dramen der alten Griechen bewährte Rezeptur. Aber dann kam ein Ende, das die Augen öffnete, weil es neue Erkenntnis vermittelte. Die Zuschauer gingen als andere Menschen heim.

Auch im Nachspann dieses Films die „glückliche“ Auflösung des Dramas: Es beruht auf einer wahren Geschichte. Der so schrecklich malträtierte gute Mensch heißt Chris Gardner und ist schließlich zigfacher Millionär geworden. Was für ein Triumph! Leider kein Wort mehr über seine Frau und den gemeinsamen Sohn. Und dass das Börsenzockerunternehmen, mit dem er sich selbständig und zum Superreichen gemacht hat, im Zweifel seine Riesenerfolge nur einstreichen konnte, indem es seine Mitarbeiter genauso haarsträubend rabiat ausnutzte, wie der junge Emporkömmling ausgenutzt worden war, das bleibt unerwähnt.
(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)

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