Canasta

(Canasta de cuentos mexicanos, Mexiko 1956, 85 Min., Drehbuch: John Casey, nach Erzählungen von B. Traven, Regie: Jose Kohn)

Der klassische Episodenfilm. Drei kleine Erzählungen, die nicht mehr als amüsant und unterhaltsam sind, die nichts miteinander zu tun haben, die man aber unter einem Titel wie Canasta zusammenfassen kann, weil es jeweils darum geht, daß sich ein Mensch gegenüber seinen Mitmenschen durchsetzt und schließlich als Sieger dasteht. Um nicht mehr und nicht weniger geht es ja bei dem nach dem Zweiten Weltkrieg in Südamerika entstandenen Kartenspiel Canasta. Wenn man den Titel nicht einfach nur als das Körbchen versteht, in dem die Geschichten serviert werden.

Die erste Episode mit dem Titel „Eine unerwartete Lösung“ ist die stärkste. Sie beschäftigt sich mit dem Inzest-Problem, ohne daß es angesprochen wird. Aus der für den Kinobesucher schnell erkennbaren Zwickmühle gibt es plötzlich einen Ausweg, der nicht zu erahnen war, und für den man um so mehr dankbar ist und wofür man applaudieren möchte.

Die zweite Episode heißt „Der Korbflechter“ und konfrontiert ein typisches nordamerikanisches junges Pärchen, das über seine Verhältnisse lebt, mit einem Indio, der hinter seine Möglichkeiten zurücktritt. Die Plausibilität der Handlung und des „Sieges“ wird erst mit einem langen Monolog des auf seine Art überlegenen Indios erkauft, was die Geschichte unter gut gemeint einordnet.

Die dritte Episode mit der Bezeichnung „Die Tigerin“ bemüht sich, eine junge Mexikanerin als so stark und so gefährlich wie ein Raubtier darzustellen. Dabei stammt ihre Besonderheit vor allem aus der Erziehung in einem nordamerikanischen College und läßt sich mit dem Begriff Emanze erklären. Daß sie schließlich einen Mexikaner findet, der die Widerspenstige zähmt, wird wie ein Wiederherstellen der natürlichen Ordnung gebracht.

Fast fünfzig Jahre nach seiner Entstehung ist dieser Film kaum noch ernstzunehmen. Die Thematik ist überholt, die Machart erst recht. Gerade noch die Tatsache, daß er auf Geschichten des geheimnisumwitterten Erfolgsautors B. Traven basiert, rechtfertigt die Beschäftigung mit ihm. Man erinnert sich an dessen Romane „Die Baumwollpflücker“ oder „Das Totenschiff“ oder „Der Schatz der Sierra Madre“ und viele mehr, die zu großen Kinoerlebnissen wurden. In seinen mexikanischen Romanen erwies sich der Autor als phantasievoller Kritiker der westlichen Gesellschaft, der er die  Echtheit und Überlegenheit der Ureinwohner gegenüberstellte. Da äußerte sich der linksorientierte Gutmensch, was gut tat.

Der irgendwann gegen Ende des 19. Jahrhunderts irgendwo in den USA geborene Erzähler hatte sich in Deutschland ohne großen Erfolg als Schauspieler und Regisseur und als Journalist versucht, hatte eine anarchistische Zeitschrift herausgebracht, sich an den Umtrieben der Münchener Räterepublik beteiligt und war im Jahre 1919 angeblich nur in letzter Sekunde der standrechtlichen Erschießung entgangen und untergetaucht. Einige Jahre später trat er im tropischen Busch Mexikos wieder ans Licht, jetzt als Farmer und Autor großer Romane, alle in deutsch, die er in einem Gewerkschaftsverlag in Berlin veröffentlichen ließ.

Wer sich hinter dem Pseudonym B. Traven und diversen weiteren Pseudonymen verbarg, ist nie geklärt worden, so viel auch darüber geschrieben wurde. Die Literatursoziologen und Literaturgeschichtler wüßten natürlich gern mehr über seine Lebensumstände. Er selbst hat einmal den Satz geschrieben: „Die Biographie eines schöpferischen Menschen ist ganz und gar unwichtig.“ Das klingt sehr bescheiden. Die Literaturwissenschaft jedoch diagnostiziert bei ihm ein „Pathos der Anonymität.“ Heute darf man in Kenntnis des Literaturmarktes und der modernen Werbetechniken wohl resümieren: Der Mann wußte, wie man sich selbst mittels Geheimnistuerei und Spiegelfechterei sowie eifrigem Spurenverwischen zu einem Produkt macht, das als outstanding angesehen wird – und damit fast zwangsläufig erfolgreich ist.

(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)

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