884. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

 

Jetzt hat doch tatsächlich bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland, nur noch gut die Hälfte der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Dabei war in der Journaille eifrig mit dem Argument Wind gemacht worden, es gehe um ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Ein Wind, der die Leute an die Wahlurne pusten müsste. Doch hielt fast jeder zweite Wahlberechtigte das für überflüssig, weil er wusste, dass die großen Problemfelder Frieden, Klima, Wohlstand die einen wie die anderen Politiker zu ganz ähnlichen Maßnahmen zwingen, zumal die großen Linien der Politik von der Europäischen Union und der Bundesregierung vorgegeben werden.  

 

Immer mehr Menschen haben Übergewicht. Obwohl die Festsetzung eines Normalgewichts ein Unsinn ist, weil die Natur keine Normen kennt, sind die vorsichtig zu genießenden Statistiken aussagekräftig. So die Feststellung, dass in den USA und allen europäischen Ländern viel mehr Männer Übergewicht haben als Frauen, mit der einzigen Ausnahme Türkei, wo es umgekehrt ist. Wird damit das dort herrschende völlig andere Frauenbild sichtbar?

 

Nur Selbstbeweihräucherung? Die Parteiprogramme zur aktuellen NRW-Landtagswahl seien genauso unverständlich wie bei der letzten NRW-Landtagswahl vor fünf Jahren, heißt es in einer Analyse der Kommunikationswissenschaftler der Universität Hohenheim in Stuttgart. Sie fanden darin Bandwurmsätze, sperrige Neuschöpfungen wie Krankenhausinvestitionskostenförderung und Bürger*innenmedien-Kompetenzprojekte sowie hochstilisierten Krampf wie Hyperscaler, Cashcamp, Flowback und Purpose-Unternehmer*innentum. Die Hohenheimer haben seit 2009 mehr als 700 Wahlprogramme analysiert und dabei festgestellt, dass die Wahlprogramme nach wie vor nicht dem erklärten Zweck dienten, gelesen und verstanden zu werden. 

 

Fiducia, Laetitia, Disciplina usw. Weil ich für mich selbst immer wieder Namen von Frachtern übersetzen muss, die auf dem Rhein vor meinem Fenster vorbeiziehen, weiß ich endlich, wozu ich neun Jahre lang Latein gelernt habe. Umso mehr freue ich mich auf die Sonderausstellung zum Thema „Latein. Tot oder lebendig?“, die jetzt im westfälischen Lichtenau eröffnet wurde, um die imponierende Geschichte des Lateinischen von der Antike bis heute darzustellen. Habe „extemplo“ auf meinem Globus die beste Fahrtstrecke in die Antike ausgesucht.

 

Zeitverschiebungen. Es gab eine Zeit, und das war die bisher längste Zeit, da konnte man nur kriechen, gehen und laufen. Darauf folgte die Zeit, da bewegte man sich auf dem Rücken von Eseln, Pferden, Kamelen und Elefanten. Danach kam die Zeit, da fuhr man mit der von Pferden gezogenen Karre oder Kutsche und Bahn. Ihr folgte die Zeit, in der fast jeder sich der eigenen motorisierten Kabine auf Rädern bediente, die vor der Tür stand. Deren Ende erleben wir gerade. Danach wird die Zeit kommen, da sich jeder Einzelne ohne Bindung an Straßen und Schienen durch die Luft bewegt wie ein Vogel.

 

Jetzt sind wir doch tatsächlich auf dem Weg zurück ins 12. Jahrhundert. Damals kamen bei uns die Familiennamen auf, weil man in seinem Ort die vielen Menschen, die denselben Rufnamen trugen, zu unterscheiden suchte. Man hätte sie einfach durchnummerieren können als Maria die Sechsundzwanzigste und Johannes der Vierundachtzigste. Doch man zog es vor, sie nach dem Beruf oder Aussehen oder der Wohnung und dergleichen zu definieren. So kam es zu Josef der Schmied, Anna die Kleine und Peter am Bach. Das wurde schnell abgeschliffen zu den heute gängigen Namen Josef Schmidt, Anna Klein und Peter Bach. Doch heute propagieren Leute, auch im Fernsehen, die ausschließliche Verwendung des Vornamens und halten sich damit für besonders erleuchtet und freundlich. Erst wer einmal versucht hat, einen neuen Bekannten, von dem er nur den Vornamen kennt, zu kontaktieren und vergeblich ins Telefonbuch oder bei Google reingeschaut hat, versteht, dass diese kumpelhafte Freundlichkeit ein Irrweg ist. Das bloße Du mit dem Vornamen schafft nur Distanz und zeigt damit Desinteresse.  

 

Ja, es ist jetzt da, mein Buch über die beiden Dichter Goethe und Tschechow. Also eine Stimme mehr in dem tausendfachen Lobgesang auf die beiden Großschriftsteller? Nein, so leicht kommen die beiden bei mir nicht weg. Die eine der zwei Erzählungen in diesem Buch heißt: „Goethe versus Vulpius, Vulpius, Vulpius und Vulpius“, und die andere Erzählung heißt: „Tschechow zu Gast beim Doppelmörder“. Diese Titel verraten doch schon, dass es hier um zwei Lebensbilder geht, die einmal ganz anders daherkommen, dramatischer und dabei auch entlarvender. Siehe http://www.netzine.de/library/.

 

 

 

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