837. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

Früher hieß es: Gestorben wird immer. Doch auf unseren Friedhöfen ist es ruhiger geworden. Die Bestatter sprechen von einem Rückgang der Beerdigungen um 10 Prozent. Schon gibt es in der Branche Kurzarbeit und Gejammer über massive Umsatzeinbußen. Schuld sei die Corona-Pandemie. Weil die Leute möglichst nicht zum Arzt gingen und sich nicht ins Krankenhaus einweisen ließen, werde weniger gestorben. Gleichzeitig fehlten die Toten aus den missglückten Operationen, weil die Kliniken Tausende Eingriffe nicht ausführten, um die Betten für Coronafälle freizuhalten. Und gleichzeitig melden die Statistiker immer weniger Verkehrstote. Es ist zum – ja, was eigentlich?

 

In Deutschland schmücken die Medienleute sich gern mit täglichem Gerede über  Shutdown und Lockdown, und das schafgeduldige Publikum muss jedes Mal überlegen, ob es nun um das Herunterfahren von Freiheiten oder von Einschränkungen geht und ob man selbst ausgesperrt wird oder nur die Ansteckungsgefahr.

 

Heute gilt es die Rechte der X-Minderheit zu respektieren, morgen die der Y-Minderheit und am nächsten Tag die der Z-Minderheit. Die Minderheitenrechte ziehen auf wie ein Gewitter nach dem anderen. Und du stehst im Regen, ohne Schirm. Und fragst dich, wieso eine Minderheit die Mehrheit, zu der du gehörst, beherrschen darf. Da hilft nur noch dir klarzumachen, dass es schon immer so war: Seit eh und je beherrschen die wenigen Reichen all die Armen, wie die wenigen Cleveren all die vielen Schlafmützen beherrschen.

 

Ständig kommt man uns mit englischen Begriffen, die uns besonders imponieren und verwirren sollen. Als erste Maßnahme gegen das Corona-Virus wurde uns Social Distancing empfohlen. Jetzt gibt es erstmals, von afrikanischen Künstlern gestartet, eine Corona-Hymne. Das Lied heißt Stand Together. – Bloß nichts mehr wörtlich nehmen!

 

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete am 21. Juli unter dem Titel „Lebensader in Gefahr“ über das im englisch-amerikanischen Sprachraum virulente Intellectual Dark Web (I.D.W.). Es ging dabei um Beispiele von Gegenöffentlichkeit im Netz, die sich gegen den Mainstream behaupten. Mich wunderte die Bemerkung, deutsche Intellektuelle seien noch nicht dabei. Aber natürlich kann man das Netzine mit Laufenbergs Läster-Lexikon leicht übersehen. Was ist schon ein regelmäßig erscheinendes Medium mit nur etwas über 500 000 Zugriffen pro Monat.

 

Immer wieder neue schlechte Nachrichten über die Firma Wirecard. Da fragt sich mancher: Was habe ich damit zu tun? Antwort: Wer sich dämlich-gläubig moderne Zahlungsmethoden aufschwätzen lässt, statt einfach mit Bargeld zu zahlen, fördert damit das Entstehen von immer neuen Geldinstituten als Zwischenhändler, die skrupellos absahnen und für uns alle Waren und Dienstleistungen teurer machen, – für jeden von uns. Das haben wir damit zu tun.

 

Nach Angaben der International Society of Plastic Surgery haben sich im Jahre 2018 in Deutschland fast 390 000 Menschen, hauptsächlich Frauen, einer Schönheitsoperation unterzogen, die oft sehr schmerzhaft ist und manchmal tödlich endet. Dabei ist die Bezeichnung Schönheitschirurg bei uns kein geschützter Begriff, und was schön ist, hängt von den Launen der Mode ab. Im Moment gilt übrigens ein dicker, runder Hintern, the Brazilian Butt, als schön.

 

Das Quadrat bei Schokolade ist jetzt gerichtlich gegen Konkurrenz geschützt. Ist deshalb die Schokoladentafel, die ich in der Buchhandlung sehe, so ehrlich? Da offeriert man eine Schokolade als Abdruck der barocken Mannheimer Innenstadt. Sie zeigt Mannheim, das sich gern Quadratestadt nennt, mit seinem exakten Grundriss, der aus lauter Rechtecken besteht, aber ohne ein einziges Quadrat. Ist das vorauseilender Gehorsam?

 

In der belletristischen Literatur wird hin und wieder einem besonderen Frauentyp ein Denkmal gesetzt. Das waren beispielsweise die Titelfiguren „Nana“ in dem Roman von Émile Zola, „Anna Karenina“ in dem Roman von Leo Tolstoi und „Lolita“ in dem Roman von Vladimir Nabokov. Ich habe mit der Anna Fries in meinem Roman „Der Hund von Treblinka“ einen weiteren extremen Frauentyp präsentiert: die Testosteronfeindin. Die Type hat es zwar nicht zur Titelfigur geschafft und ist auch längst nicht so berühmt wie ihre Vorgängerinnen, dafür aber ist sie moderner und – was zu befürchten ist – ein Zukunftstyp. 

 

 

 

 

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