836. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

Der Mainstream bekommt endlich eine Gegenströmung. Auf der Website der amerikanischen Zeitschrift  Harper’s Magazine haben 150 Intellektuelle einen offenen Brief veröffentlicht, der das illiberale Meinungsklima anprangert, das von den Verfechtern bestimmter Gruppen erzeugt wird. Mit der Tabuisierung von Begriffen und Sehweisen wird, so klagen die Autoren, der freie Austausch von Informationen und Ideen, also der Lebensnerv einer modernen Gesellschaft, von Tag zu Tag mehr eingeengt. Es breitet sich eine Atmosphäre der Zensur aus, weil kaum noch jemand wagen kann, von den herrschenden Meinungen abzuweichen. Was für die USA gilt, das gilt auch für Deutschland mit seinem linksgrünen Mainstream. Bleibt zu hoffen, dass wir jetzt wenigstens so gescheit sind, auch die Gegenströmung kommen zu lassen. 

 

Ein „Lexikon der schönen Wörter“ gibt es nun, zusammengestellt von dem Sprachwissenschaftler Roland Kaehlbrandt und dem Vorsitzenden des Vereins Deutsche Sprache, Walter Krämer. Sechshundert Wörter, die besonders klingen oder berührend sind, wunderlich, würzig oder vom Aussterben bedroht. Kein Gegenstück zu „Laufenbergs Läster-Lexikon“, weil nicht so grundsätzlich, aber doch eine interessante Ergänzung, was die beiden Wörtersammler da an schönen Begriffen präsentieren wie Ansinnen, Dasein, Wucht, zeitvergessen, alsbald, gemach oder zaghaft. 

 

Freundlichkeit ist der Neuling auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Phänomene. Denn die Vorschriften zum Masketragen und Abstandhalten schränken den Lebensraum der Freundlichkeit so weit ein, dass sie sich kaum noch halten kann. Alle Versuche, mit dem Ellenbogen Freundlichkeit auszudrücken, sind an Lächerlichkeit gescheitert – und daran, dass der Ellenbogen negativ vorbelastet ist.  

 

Ein schöner neuer Begriff hat sich ganz schnell in Norddeutschland eingebürgert. Dort heißt der jetzt vorgeschriebene Mund-Nasen-Schutz einfach Schnutenpulli. 

 

War das schön, als man in der Schule lernte, dass alles entweder fest oder flüssig oder gasförmig ist. Endlich wusste man, was die drei Aggregatzustände sind: fest, flüssig, gasförmig. Doch jetzt lese ich im Wirtschaftsteil meiner Zeitung die Überschrift: „Viele Flüssiggas-Projekte liegen auf Eis.“ Na ja, wenn das Gasförmige flüssig sein kann, dann soll es sich meinetwegen auch zu Eis verfestigen können. Aber bitte ohne mich!

 

Sprache lebt, so heißt es. Das ist natürlich, aber manchmal stinkt’s mir doch. So wenn „wewurt skihit“, der althochdeutsche Seufzer des Hildebrandsliedes aus dem 9. Jahrhundert über Schlimmes, das geschieht, im 21. Jahrhundert dabei ist, sich zu dem Seufzer „shit happens“ zu konkretisieren. 

 

Das habe ich den vielen Schiffen auf dem Rhein, die an meinem Fenster vorbeifahren, als eine Erkenntnis fürs Leben abgeguckt: Den am meisten imponierenden Auftritt bieten stets die leer Daherkommenden.

 

Jetzt weiß ich: Ich habe Tausende Tierfreunde als persönliche Kontakte. Denn nicht ein einziger meiner zahllosen Netzine-Leser hat sich daran gestört, dass ich in der vorigen Ausgabe den Menschen als eine bloß höher entwickelte Tierart bezeichnet habe.

 

Am Sonntag 12. Juli, brachte des ZDF in der Sendung Terra X über die erst jetzt entdeckte Gleichrangigkeit der Frau mit dem Mann in Urzeiten einige Bilder aus dem ältesten noch erhaltenen Kultbau der Menschheit, dem Hypogäum auf der Insel Malta. Wer meinen Kulturthriller „Hypogäum – Triumph der Venus von Malta“ gelesen hat, 2013 im Salon Literatur Verlag erschienen, kannte sich in dieser Unterwelt schon bestens aus, freute sich über das Wiedersehen mit der großen Urmutter und erinnerte sich gern an das ungewöhnlich spannende Leseerlebnis, das früheste Vergangenheit und aktuelle Problematik miteinander verknüpfte. Wer dieses Buch nicht kennt – der Verleger hat noch letzte Exemplare. www.netzine.de/library/walter-laufenberg/hypogaeum-triumph-der-venus-von-malta/

 

 

 

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