771. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

Jetzt ist klar, dass wir vor Ostern keine neue Regierung kriegen. Die Wähler haben ihr Recht wahrgenommen und einen neuen Bundestag gewählt. Der trat auch zusammen, ist aber weitgehend stillgelegt. Denn große Entscheidungen kann das Parlament nicht treffen, solange die Regierenden nur ein Verlegenheitsprogramm abspulen. Eine Schwachstelle des Prinzips Demokratie: Die Parteien mit ihrem primären Interesse an ihrer Vereinsmacht und die Spitzenfunktionäre mit ihrem persönlichen Jobinteresse behindern das gewählte Parlament. Und das mehr als ein halbes Jahr lang. Womit dem neuen Parlament gut ein Achtel seiner Legislaturperiode gestohlen wird.

 

Abendfüllend. Das Wort ist neu auf der Liste der aussterbenden Begriffe. Noch vor dreißig Jahren benannte man so in der Film-Fernseh-Branche einen Film von 90 Minuten Länge. Heute füllen für viele meiner Zeitgenossen mindestens drei 90-Minuten-Filme hintereinander einen Fernsehabend.

 

Wenn mir von der Fernsehshow vorgeschwärmt wird, in der ein Moderator alle Besucher duzt und sich selbst auch duzen lässt, kriege ich dieses lästige Kopfschütteln. Ist die Duzerei, die so besonders freundlich wirkt, doch in Wirklichkeit eine Methode der Anonymisierung. Weil man keinen Du-Bekannten mehr kontaktieren und wiederfinden kann, wenn man nur seinen Vornamen kennt. Mit dem Du für einen Fremden zeigt man ihm, wie wurscht er einem ist. Dieses Du der Herablassung gegenüber jedem und jeder war Jahrhunderte lang das Vorrecht der Hofnarren. Die werden jetzt im Fernsehen wiederbelebt. Juchhe!

 

 

Wenn ein Unternehmen wie MediaMarkt oder Convergenta das Hinscheiden seines Gründers mit übergroßen, nämlich ganzseitigen Todesanzeigen in der überregionalen Tagespresse bekannt gibt, erzeugt das, wie ich mehrfach hörte, bei Otto Normalverbraucher nicht unbedingt eine entsprechend übergroße Trauer. Weil der sich dieses beidhändige Geld-Aus-Dem-Fenster-Werfen zu deuten weiß: In den Firmen müssen die Preise viel zu hoch sein, sonst könnten sie sich so ein Protzen nicht erlauben.

 

Da sitze ich im Taxi und wundere mich, wie geräumig und bequem der Wagen ist, und erfahre, es handelt sich um die etwas zu schlicht geratene VW-Luxus-Karosse Phaeton. Weil der Wagen nicht mehr gebaut werde, sei er gebraucht für relativ wenig Geld zu haben, verrät mir der Fahrer. Und ich verstehe: Die VW-Bosse haben, als sie diesen Wagen mit einem sechsstelligen Euro-Preis zur Befriedigung ihrer eigenen Renommee-Bedürfnisse auf den Markt brachten, die Neigung der Reichen zum Understatement gewaltig überschätzt.

 

Emojis, diese kleinen Bilder von stilisierten Menschen, Tieren, Pflanzen und Gegenständen, von Orten und Symbolen, ersetzen in der Kommunikation per Mobiltelefon und in den Kurznachrichtendiensten immer mehr das geschriebene Wort. Was begonnen hatte mit wenigen allgemeinverständlichen Piktogrammen und dann von den Smilies mit unterschiedlicher Mimik ergänzt wurde, ist zu einer eigenen Bilderschrift geworden. Für die rapide wachsende Zahl von Menschen, die sich nicht fehlerfrei schriftlich äußern können, eine sehr willkommene Hilfe. Was aber als eine putzige Bereicherung daherkommt, ist in Wahrheit eine Verarmung. Denn damit beendet die Buchstabenschrift, die im 9. Jahrhundert v.u.Z. von den Phöniziern eingeführt wurde, die lange Epoche ihrer Herrschaft. Sie entwickelt jetzt sich zur Bilderschrift zurück, wie sie vor viertausend Jahren im alten Ägypten üblich war, ähnlich auch bei den Mayas und den Eskimos.

 

Platzmangel in der Zeitung und Zeitdruck bei Funk und Fernsehen bescheren uns immer mehr Schwanzwörter. Das ist nichts Pornografisches, nur was Abgeschliffenes. Beim Regenschirm und der Eisenbahn genügen uns die Wortschwänze Schirm und Bahn. Bei Auto, Info, Uni und Disko lassen wir der Einfachheit halber die Schwänze weg. Und was vom Trampeltier bleibt, hören wir tagtäglich in den Nachrichten.

 

Was macht die Kunst, frage ich gern meine Künstlerkollegen. Und höre dann immer öfter: Deutsche Finanzämter unterstellen freien Künstlern gern, keine Gewinnerzielungsabsicht zu haben, und nehmen ihnen damit das Recht, Betriebskosten steuerlich abzusetzen. Damit zwingen sie die Kunstschaffenden zu einer einnahmeorientierten Arbeitsweise, die im absoluten Widerspruch zu der künstlerischen Arbeitsweise steht und entsprechend geringwertige Werke hervorbringt. Denn der wahre Künstler schafft seine Kunstwerke nicht, um damit Geld zu scheffeln. Das unterscheidet den Künstler vom Kunstgewerbler. Es ist an der Zeit, dass der Gesetzgeber sich darum kümmert, dass die Kultur nicht weiterhin durch ignorante Finanzamtsmitarbeiter abgewürgt wird.

 

Der bevölkerungsreichste Bundesstaat der USA, Kalifornien, hat jetzt mit der Freigabe von Cannabis-Produkten als Genussmittel eine Lawine losgetreten. Und die US-Wirtschaft jubelt. Denn man rechnet damit, dass damit schon in drei Jahren ein Jahresumsatz von mehr als 20 Milliarden Dollar möglich ist, was dem Staat mehr als 4 Milliarden Dollar im Jahr an Steuern einbringen wird. Dass die Aufhebung des Verbots von Cannabis (Haschisch bzw. Marihuana) kommen wird und kommen muss, wie sich bei der „Erfindung“ der Tabak- und Alkoholsteuer gezeigt hat, weil alle Staatsführer gleich gierig auf Steuereinnahmen sind, hatte ich schon in meinem 1971 erschienenen (inzwischen teilweise überholten und längst vergriffenen) Buch „Rauschgift – Der stille Aufstand“  geschrieben. Ein Teil der Auflage dieses über alle bekannten Rauschgifte aufklärenden Sachbuches ist damals von der Bundesregierung angekauft und an Erzieher, Lehrer, Ausbilder verteilt worden. Jetzt wird mein Steuer-Hinweis als erstes von den Amerikanern bestätigt.

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