740. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

Von allen Seiten kriege ich zu hören und zu lesen, dass in Paris ein Flüchtlingslager an der Metrostation „Stalingrad“ geräumt wurde. Dabei aber kein Wort zu dem Namen der Station, der in Deutschland mit den schlimmsten Erinnerungen verbunden ist. Das heißt, die Journaille ist vereinigt im Kneifen vor der Peinlichkeit, dass in Paris mit diesem Stationsnamen nach sieben Jahrzehnten deutsch-französischer Freundschaft und vielen Jahrzehnten des Kalten Kriegs zwischen Ost und West immer noch der vernichtende Sieg der Russen über die Deutschen gefeiert wird. Dabei ist die Verherrlichung des Massenmörders Stalin sogar schon in Russland überwunden.

Inzwischen ist es unübersehbar: Mit jedem Einsatz von Smartphone und Kreditkarte lassen wir uns unserer Freiheit berauben. Wir verzichten damit auf unsere unkontrollierbare Handlungs- und Bewegungsfreiheit – und sind auch noch stolz darauf. Das bestätigt die alte Volksweisheit: Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz.

Bei Spiegel Online stolpere ich über die Frage, warum wir uns so gern Gewalt in Serien anschauen. Eine falsche Fragestellung, weil ich nicht zum Wir gehöre. Ich bin doch nicht blöd und mute mir am Feierabend Gewaltszenen zu, obwohl ich den Tag über jede unnötige Gewalt vermeide, sowohl passiv als auch aktiv. Spiegel Online sollte den Lesern besser klarmachen, dass es nicht nur Körperhygiene gibt, sondern auch eine Gemütshygiene. Aber das ist nichts für Blödiane.

Thema: Weiterentwicklung unserer Sprache. Ich fand jetzt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen schönen und einfachen Trick, wie man die alberne neue Vorschrift, dreimal hintereinander denselben Konsonanten zu schreiben, vermeiden kann: Schiffsfahrt. Das Genitiv-S wäre auch zu empfehlen für Bettstuch. Aber für Passstraße, Schnellläufer, Rennnation, Wirrrede, Stoppposition und Hemmminderung fehlt mir eine entsprechend pfiffige Lösung. Und was noch schlimmer ist: Bei dem Buchstaben K und etlichen anderen fehlt mir sogar das Problem. Bin ich jetzt ein Schlimmmacher?

Sogar in den deutschen Hochschulen setzen sich Gender-Fanatiker immer deutlicher durch, obwohl die meisten Studenten und Studentinnen und StudentInnen und Student*innen und Studierenden die Komplizierung der Ausdrucksweise ablehnen. Mein Vorschlag zur korrekten Bezeichnung sämtlicher Geschlechtsvarianten: Eine Tabelle von 1 bis 10, die von Vollfrau bis Vollmann reicht und auf der sich jeder selbst einordnen kann. Dann gäbe ich als mein Geschlecht einfach nur noch G 8,5 ein, und in Stellenausschreibungen hieße es dann: Prof. G 1-10 oder Amme G 1- 5. Doch bin ich sicher, dass sich auch Leute finden, die an diesem Vorschlag zur Güte etwas zu mäkeln haben. Gibt es doch nicht nur Vollfrauen und Vollmänner und alles dazwischen, sondern auch Vollidioten.

Geprägt von dem überwältigenden Walderlebnis unserer Vorfahren sind und bleiben wir Deutschen gemütsmäßig Waldmenschen. Jetzt las ich in der Zeitung, dass Deutschland immer noch zu fast einem Drittel bewaldet ist. Ein Holzvorrat, der uns nach den Schweizern und Österreichern zu den drittgrößten Holzbesitzern Europas macht. Wofür wir uns auf die Schulter schlagen dürfen, denn unsere Wälder entlasten die Atmosphäre Jahr für Jahr um 52 Milliarden Tonnen Kohlendioxid. So bieten Waldmenschen den Kahlschlagmenschen Überlebenshilfe.

Die Riesenfelder in den Neuen Bundesländern erzeugen bei mir im Vorbeifahren die Vorstellung von Riesen, die diese Riesenflächen mit Riesengerät bearbeitet haben. Typischer Fall von Denkste. Riesig waren die Herren der DDR doch nur in einer einzigen Hinsicht – in der Umweltverschmutzung.

Jetzt habe ich gehört: Die meisten Arbeitgeber haben nichts dagegen, dass das NETZINE auch am Arbeitsplatz gelesen wird, weil sie gern aufgeweckte Mitarbeiter haben.

Bitte notieren: Meine nächste Lesung – aus “Hohe Zeit” (z. Zt. in Druck) – findet in München statt, und zwar am Freitag, den 18. November 2016 zwischen 19 und 23 Uhr auf der gemeinschaftlichen Leseveranstaltung der Autoren und Autorinnen des Salon Literatur Verlags im Haus Einstein Kultur, Einsteinstraße 42. Einlass ab 18 Uhr, Eintritt 7,-/5,- Euro, inklusive Getränk und kleinem Imbiss sowie Live-Musik. Bitte möglichst mit Voranmeldung: anmelden@salonliteraturverlag.de

Dieser Beitrag wurde unter Aktuell veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.