700. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

Kaum zu glauben, aber wahr: Siebenhundertmal Neuigkeiten, von mir aufgespießt, bedacht, belächelt, weitergeführt oder ad absurdum gebracht, zu Nutz und Frommen und zum Vergnügen oder Unmut von Dir, von Ihnen, von Euch und von uns allen. Macht damit, was Ihr wollt! Es sind das ja nur die Appetithäppchen, die zu meinen Büchern hinführen sollen. Zu Büchern, die gute Unterhaltung plus sind, für Leser mit höheren Ansprüchen.

 

Wir Deutschen waren einmal das Volk der Dichter und Denker. Heute herrschen bei uns strenge Denk- und Sprachvorgaben, die uns zu den verzagten Ärschen machen, von denen Martin Luther sagte, dass aus ihnen nie ein fröhlicher Furz komme. Um nur die neuesten Verbotsfälle zu nennen: Der Völkermord an den Armeniern soll offiziell nur ein Massaker und eine Vertreibung gewesen sein, und der Massenmord an 149 Flugzeuginsassen bloß ein Flugzeugunfall. So unsere Regierung. Dass es keine Ausländer mehr gibt und dass es nur noch den Zigeunern selbst erlaubt ist, sich Zigeuner zu nennen, was sie selbstverständlich auch tun, daran haben wir uns ja schon gewöhnt.

 

Die Schweden haben ein drittes Geschlecht kreiert, und das ist mehr als bloß eine Art Leipziger Allerlei. Neben han (für er) und hon (für sie) gibt es jetzt für alle, die ihr Geschlecht nicht so konkret angeben können oder wollen, die Kategorie hen. Nicht gleichzusetzen mit dem deutschen Es, das sich auf Sachen bezieht, denn das schwedische Wort hen bezieht sich allein auf Personen. Mit dieser kühnen Wortschöpfung sind die Schweden Vorreiter auf dem Weg der Abkehr vom simplen Denken in Alternativen. Ist doch längst bekannt, dass jeder Mann auch mehr oder weniger weiblich ist – und umgekehrt. Irgendwann werden wir Menschen der westlichen Welt die Marotte, alles durch sein Gegenteil zu definieren auch in den Wissenschaften aufgeben müssen, wenn wir nicht tatenlos zusehen wollen wie die Asiaten uns spielend überholen.

 

Der Makel des Sturmgewehrs G36 der Bundeswehr hat auch eine – bisher übersehene – positive Seite. Ist doch jeder Schuss auf einen Menschen, der nicht trifft, ein Toter weniger. Deshalb schlage ich hiermit die Herstellerfirma Heckler & Koch für den Friedensnobelpreis vor.

 

Dass das All sich ständig weiter aufbläht, wissen wir seit Albert Einstein, ohne dass uns das etwas bedeutet. Weil es uns nicht direkt betrifft. Aber die Erfahrung, dass jeder Einzelne sich ebenfalls ständig verdickt, führt uns zu der Vermutung, hinter beiden Vorgängen stecke ein und dasselbe Urprinzip der Materie. Weil uns das ganz schön entlasten würde.

 

Die FAZ sucht nach einem Begriff für ein neues Phänomen: Es geht um das Aufgeld, das manche Banken neuerdings zu zahlen bereit sind, wenn man bei ihnen einen Kredit nimmt. Was uns als eine unerhörte Novität erstaunt, das ist bloß eine Folge der Geldflut, die von der Europäischen Zentralbank ausgelöst wurde und überall zu der verzweifelten Frage führt: Wohin nur mit dem verdammten Geld? Dem freundlichen Kreditnehmer dafür eine Prämie in Form eines Zinses zu zahlen, ist nur konsequent als die andere Seite der Medaille. Wird dem Privatmann für Geldanlagen bei manchen Banken doch schon ein Einlagenzins, der Negativzins, abgezogen. Die Moral von der Geschicht: Geld haben muss bestraft werden!

 

Den Sonntag beherrscht nicht mehr der Pfarrer mit dem Wort des Herrn. Neuerdings herrscht der Wortschwall der Sonntagsblätter. In denen werden die Themen der vergangenen Woche noch einmal ausgewalzt, ergänzt um Randständiges, das am Werktag keinen Platz im Redaktionsteil finden konnte, alles beinahe prozessionsartig auf einem Teppich von ausgestreuten Blütenblättchen auftretend, mit Weihrauch und Myrrhe sonntäglich veredelt. Egal, irgendwie muss man ja den arbeitsfreien Tag füllen, sagen die einen. So langweilig kann kein Sonntag sein, dass ich das alles lese, sagen andere – und ich.

 

Das kleine Wort Kur war mal das Größte. Denn die Kurwürde war die höchste Ehre, die ein deutscher Adliger in früheren Jahrhunderten anstreben konnte. Aber ganz sicher würde keiner von ihnen heute einen Kurort aufsuchen. Denn er könnte sich dort nicht mehr von den anderen Menschen unterscheiden. Und zu wählen gäbe es da eh nichts als diese oder jene oder eine der vielen sonstigen Anwendungen.

 

Bad Füssing verkündet stolz, es habe inzwischen etwas mehr als 7.000 Einwohner und über 14.000 Betten. Dass auf jeden Einwohner zwei Betten kommen, ist vermutlich die Erklärung dafür, dass es in Bad Füssing kein Nachtleben gibt.

 

Wir sind Tag für Tag entsetzte Zuschauer bei den Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer und bedauern, dass wir nichts daran ändern können. Dabei habe ich bereits in meinem 2014 erschienenen Malta-Buch „Hypogäum“ (Salon Literatur Verlag, München) das Drama der von Verbrechern dem Tode ausgelieferten Bootsflüchtlinge dargestellt. Und nicht nur das, ich habe in diesem Buch auch ausführlich beschrieben, was keine Zeitung und kein Sender bringt, nämlich wie sich Schiffbrüchige auf hoher See vor dem Verdursten bewahren können. Nur schade, dass der Verlag nicht die umfangreiche Werbung machen kann, die nötig wäre, um dieses hoch aktuelle Buch so bekannt zu machen wie andere Verlage die belanglosesten Krimi-Schinken.

Dieser Beitrag wurde unter Aktuell veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.