660. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

Die neueste Absurdität vorneweg: Der mehr als 70.000 Euro teure amerikanische Elektro-Sportwagen Tesla S, der die Erdölbranche das Fürchten lehrt, weil er die erste ernstzunehmende Alternative zum Auto mit Verbrennungsmotor ist, hat ausgerechnet in Norwegen den VW Golf vom ersten Platz der Zulassungsstatistik verdrängt. Was allerdings nur möglich war, weil Norwegen den E-Wagen massiv subventioniert. Was Norwegen sich nur leisten kann, weil es ein so starker Erölproduzent ist.

Nordrhein-Westfalen hat einen Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht, wonach nicht mehr nur natürliche Personen strafrechtlich belangt werden können, sondern auch Unternehmen. Bisher können gegen Unternehmen bloß Geldbußen wegen Ordnungswidrigkeiten verhängt werden. Wie und wer in Zukunft bei Unternehmen zu Gefängnisstrafen verdonnert werden kann, wäre noch zu klären. Jedenfalls verliert unser Strafrecht damit ein wenig den Makel, dass es sich nur gegen den kleinen Mann wendet, während die Institutionen und Konzerne und Verbände die Macht haben und die Welt, vor allem auch die Umwelt, viel stärker schädigen, als das dem kleinen Bundesbürger möglich ist.

Nirgendwo auf der Welt sei es so schwer, heißt es in der Presse, die Kartenlesegeräte für die Supermarktkassen an den Mann zu bringen wie in Deutschland. Weil bei uns Deutschen die Barzahlung in Münzen und Scheinen beliebter ist als in allen anderen Ländern. Dafür werden vielerlei Gründe angeführt. Den einen Grund aber, der ausschlaggebend ist, den verschweigt man: Das Geldausgeben per Karte fällt dem Konsumenten viel leichter – nur deshalb wurde die Karte ja eingeführt – als das Hingeben von barer Münze und schönen Scheinen. Die jetzt schon getestete Bezahlung mit dem Smarty dient ja demselben Zweck. Unsere Zurückhaltung beim Einsatz von Geldkarten zeigt also Überlegenheit. Gratulation, liebe Landsleute!

Die Postbank gibt bekannt, dass man ab Ende 2013 die Kontoauszüge im DIN-A4-Format bekommt. Gut zu wissen, schreibt die Postbank: Der Papierverbrauch wird sich dadurch nicht erhöhen, und es wird natürlich auf umweltfreundlichem Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft gedruckt, wobei selbstverständlich ist, dass die Druckfarben aus fairer Produktion stammen und die Druckmaschinen keinen klimaschädlichen Hochdruck ausüben, weil sie aus einem Land mit demokratischer Verfassung bezogen werden, so dass der wirksame Schutz der Arbeitnehmerrechte gewährleistet ist, unter diesen Arbeitnehmern auch keine Asylanten aus außereuropäischen Ländern sind, sondern alle Arbeitnehmer ordentliche Arbeitsverträge haben und ordentliche Kleidung tragen, die nicht in Bangladesch und nicht unter Verstoß gegen den Markenzeichenschutz hergestellt wurde, im Übrigen auch garantiert ohne gesundheitsschädliche Farb- oder Imprägnierstoffe ist und ausschließlich deutsche Beschriftungen auf den Knöpfen und Reißverschlüssen trägt.

In der SPD gibt es zu der Frage, ob sie eine Regierungskoalition mit der CDU eingehen soll, die Vorstellung, man müsse eine Mitgliederbefragung durchführen. Das sei Basisdemokratie. Dabei wird übersehen, dass all die Millionen Wähler, die bei der Bundestagswahl SPD angekreuzt haben, damit ihren Wunsch ausdrückten, die SPD solle ans Ruder kommen. Diese Wähler-Basis ist zahlenmäßig weit größer als die Parteimitglieder-Basis. Wenn aber die relativ wenigen Parteimitglieder mit Nein stimmen, würde das demokratische Votum der relativ großen Wählerschaft ausgehebelt. Das sollte Anlass sein, einmal über den irreführenden Begriff Basisdemokratie nachzudenken.

Milliardär muss man sein. Wenn ich lese, welche Rangfolge der Milliardäre das Manager-Magazin aufstellt, werde ich an den alten Spruch erinnert: Ist der Handel noch so klein, er bringt doch mehr als Arbeit ein. Denn die Spitzengruppe der deutschen Milliardäre nehmen große Einzelhändler ein. Insgesamt haben wir in Deutschland 135 Mitbürger zu Milliardären gemacht. Und ich baggere immer noch an der verflixten siebenten Million. Trotzdem, sage ich mir, weiterschreiben!

Das Abendmahlbild – Jesus mit den zwölf Aposteln – ist als Altarschmuck in vielen tausend Kirchen zu sehen. Es ist von Tintoretto in dramatischer Beleuchtung gemalt worden. Leonardo da Vinci hat mit seinem Großbild im Kloster Santa Maria delle Grazie in Mailand die wohl bekannteste Darstellung dieses Themas gebracht. Nachahmer haben mal nur Frauen an den Tisch gesetzt, mal nur Kinder. Es gibt auch die Verulkung mit lauter sogenannter Prominenz aus dem Showgeschäft als Tafelnde. Jetzt sind in Hongkong bei einer Kunstauktion für ein modernes Abendmahlbild von Zeng Fanzhi umgerechnet 23, 3 Millionen US-Dollar gezahlt worden, weil das Besondere an diesem Gemälde ist: Die dreizehn aufgereihten Männer tragen einheitliche helle Masken, und zu essen gibt es nur Wassermelonenstücke. Damit ist wohl die Spitze der Banalität erreicht. Doch das aufregendste Abendmahlbild steht in der unscheinbaren hölzernen Svalbardkirche in Akurery im hohen Norden Islands. Aufregend und deshalb nur so weit abseits geduldet, weil dieses Bild die große Peinlichkeit der christlichen Kirchen verrät, den geheimen Judaskult. Darüber informiert mein 2011 veröffentlichter Tatsachenroman „Der gemalte Tod“.

Der Internet-Buchhändler Amazon hat die Inhaber von Buchläden eiskalt erwischt, weil er sie in der Gunst der Bücherliebhaber einfach abhängt mit seiner schnellen Lieferung. Jetzt versuchen Buchhandlungen in Großstädten gleichzuziehen, indem sie die bestellten Bücher mit Fahrradkurieren zu den Kunden bringen. Das gibt zu denken. Wenn der Wunsch nach einem Buch besonders schnell befriedigt werden muss, heißt das: Er hat keine über zwei Tage hinausgehende Haltbarkeit. Dafür prasseln die Ablenkungen aller Art zu schnell auf uns Konsumenten herab. Ist das Buch also nur noch was für den Spontankauf?

In der Presse das sintflutartige Gerede darüber, dass sich alles so radikal geändert habe für die Buchhändler wie für die Verleger. Von den Autoren ist dabei nicht die Rede. Dabei passiert dort das Entscheidende: Für Autoren  werden neuerdings Buchhändler und Verleger überflüssig. Zwar verlangen Literaturpreise genau wie Schriftstellervereinigungen von interessierten Autoren immer noch, dass mindestens ein Buch in einem etablierten Verlag erschienen ist. Dabei versagen die Verlage seit eh und je beim Entdecken literarischer Talente. Goethe und Schiller haben ihre Erstlinge – „Götz von Berlichingen“ und „Die Räuber“ – selbst bezahlen müssen. Zahllosen großen Autoren erging es ebenso, worüber sie nicht sprechen durften. Jetzt aber treten die Neulinge erstmals selbstbewusst auf, weil ihr Erstling ein E-Book ist und das E-Book-Publishing als clever gilt.

Afrika läuft über, Afrika säuft ab. Jetzt endlich sprechen alle von den Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer. Schon im Sommer 2005 habe ich auf Malta darüber zu schreiben begonnen. Es wurde das ein spannendes Buch, bei aller Unterhaltsamkeit aber viel mehr als bloß ein Spannungsroman. Es bringt auch Aufschlüsse darüber, wie man auf See überleben kann. Andererseits zeigt es, wie die Länder sich gegen die Flüchtlinge wehren. Jetzt ist dieses tagesaktuelle Buch im Salon Literatur Verlag in München erschienen, unter dem Titel „Hypogäum – Triumph der Venus von Malta“. Das sollte man sich leisten. Kostet weniger als ein Abendessen.

 

 

 

 

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