648. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

Das Land Baden-Württemberg hat im vorigen Jahr etwas Tollkühnes gewagt. Als erstes Bundesland hat es im Rahmen einer Image-Kampagne zur Anwerbung neuer Fachkräfte eine Zufriedenheitsgarantie gegeben. Neubürger, denen es nicht im Ländle gefällt, sollten Anspruch auf eine Wegzugshilfe von bis zu 500 Euro haben. Die Kampagne ist stark beachtet und viel gelobt worden. Die waghalsigen Staatsdiener hatten aber doch Angst vor der eigenen Courage und deshalb die Zahl der Begünstigten auf die ersten fünfzig Wegziehenden beschränkt. Jetzt konnten sie aufatmen: Sie mussten für keinen einzigen Wegzug zahlen.

Jetzt wurde mir klar, es ist kein bloßes Gerücht, dass die Schwaben so besonders sparsam sind. In der Stuttgarter Fußgängerzone habe ich etliche Bettler beobachten können, die jämmerlich aussahen, absolut Mitleid erregend, wie sie sich an Krücken mit verkrümmten Beinen daherschleppten. Aber ich habe in einer halben Stunde nicht einmal gesehen, dass jemand etwas gegeben hat. Großartig, das nennt man: Eisern sein Geld zusammenhalten.

Da feiern Bayern und Dortmund haushohe Siege über Barcelona und Madrid, die zu den besten Fußballmannschaften Europas zählen. Womit wir Deutschen uns schon wieder ein Stückchen mehr unbeliebt gemacht haben. Davor rettet uns auch nicht, wenn deutsche Tore von Ausländern geschossen wurden. Aber vielleicht helfen diese Siege uns wenigstens, den Begriff Ausländer wieder positiv zu nehmen.

Ich kann nur hoffen, dass die Schätzung nicht stimmt, auf die ich jetzt gestoßen bin: 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel verderben jedes Jahr weltweit. Das soll etwa ein Drittel der gesamten Lebensmittelproduktion auf der Erde sein. Was kann ich gegen diese Verschwendung tun? – Na klar, noch viel mehr essen.

Der neueste Hit: Alte Ehepaare, denen ihr Arzt geraten hat, sie sollten sich mal wieder bewegen, kaufen sich zwei E-Bikes, weil das schick ist. Für mich ist ein Elektrofahrrad jedoch so was wie Vollkornbrot in flüssiger Form.

Erst fünf Jahre nach seinem Tod bringt man an die Öffentlichkeit, dass der beliebte Schauspieler Horst Tappert bei der Waffen-SS war. Und prompt melden sich Leute, die jetzt endlich verstehen, warum sie diesen Publikumsliebling noch nie ausstehen konnten. So wohltuend sind nachgeschobene Begründungen für Aversionen, die aus ganz anderen Ecken kamen. Bei mir war es schlicht das generelle Desinteresse an dressierten Affen. Interessieren würde mich jetzt aber, wer die Hintergrundinformation über diesen Schauspieler so lange zurückgehalten hat und warum. Doch dazu bringt die Presse nichts Erhellendes.

Wenn ich in eine der modernen Buchhandlungen gehe und rundum alles voller Krimis sehe, verstehe ich: Wir leben in einer Gesellschaft von Schmeißfliegen. Nur was Scheiße ist, kommt an. Es sei denn, es ist schon im Titel so verrückt ausgedrückt, wie „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster springt“ oder „Der Hase mit den Bernsteinaugen“ oder so falsch betitelt wie „Fräulein Smilas Gespür für Schnee“, wo es um Eis ging, oder „Die Entdeckung der Currywurst“, was in Wahrheit ihre Erfindung betraf. Am erfolgträchtigsten aber ist neben den Krimis immer noch der nächste Aufguss auf den kalten Kaffee der ehemaligen DDR.

Der Werbespruch einer Autofirma „Vorsprung durch Technik“ ist ein Musterbeispiel dafür, wie man mit nichtssagender Ausdrucksweise – hat doch jedes Auto Technik – den größten Erfolg erzielt. Denn die angesprochene Zielgruppe versteht den Spruch zwangsläufig ergänzt als „Vorsprung durch überlegene Technik“, wenn sie ihn nicht korrigiert versteht als „Vorsprung in der Technik“. Beides gleich gut und gewollt, wenn der Autohersteller es so auch nicht hätte sagen können, weil es ihm sofort Klagen der Konkurrenz eingebracht hätte. So dreist spekuliert die Werbung auf unsere Doofheit.

Hatte mich endlich daran gewöhnt, meine Oberhemden immer von derselben Firma zu kaufen. Nicht weil der Name so schön schottisch klingt, sondern weil ich damit die lästige Anprobiererei vermeiden konnte. Plötzlich entdeckte ich, dass diese Hemden kein Hemdentäschchen mehr haben. Nicht zwei, nicht eins, nein, keins. Und die Verkäuferin sagt brav, was man ihr beigebracht hat: „Die Kunden wollen das heute so.“ Ich aber sage: „Weniger Material und weniger Arbeitskosten bei demselben Preis, also heimliche Preiserhöhung. Deshalb  mache ich eine andere Firma zu meiner Lieblingsmarke.“

Dem Irak droht der Bürgerkrieg. Worauf ich vor zehn Jahren im Internet und im Fernsehen hingewiesen hatte, nämlich dass man den Diktator Saddam Hussein brauche, weil er mit starker Hand den Deckel auf dem Topf hält, das ist ungehört verhallt. Ich war 2003 in den letzten beiden Wochen vor dem Überfall der Amerikaner und Engländer im Irak. Jetzt wird mein Bericht „Denk ich an Bagdad in der Nacht – Staatsgast am Abend vor Kriegsbeginn“, den es als Buch (Edition Karo, Berlin) gibt, zum Menetekel!

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