625. Ausgabe

Die Menge der Millionäre – in absoluten Zahlen – ist von 2010 bis 2011 in China und Deutschland gestiegen, in den USA und Japan gefallen, in England gleich geblieben, lese ich im Wirtschaftsteil meiner Zeitung. Wir stehen also im weltweiten Wettbewerb um die Menge an Millionären nach den USA, Japan, China und England an fünfter Stelle. Wenn das kein Anreiz ist, die Ärmel aufzukrempeln und loszuwühlen?!

Heiteres Potpourri. Was unsere Zeitungen uns im Wirtschaftsteil servieren, das klingt so: Jahr für Jahr legen die Deutschen mehr Geld auf die hohe Kante. Jahr für Jahr steigt die Verschuldung der Privathaushalte. Die deutsche Wirtschaft wächst und wächst. Immer mehr Privatleute melden Zahlungsunfähigkeit an. Eine Regierung nach der anderen häuft neue Schuldenberge an. Na schön, dann kann man ja weiterblättern zum Sportteil.

In allen früheren Jahrhunderten waren die Alten den Jungen überlegen; sie wurden geschätzt, und man hörte auf ihr Urteil. Das Verhältnis hat sich in den letzten zwanzig Jahren umgekehrt. Jetzt sind die Jungen überlegen; sie werden hoch geschätzt, und nur noch ihr Urteil gilt. Das ist die Revolution des Computerzeitalters: Die Alten, die noch gelernt hatten, nach dem Was und Warum zu fragen, wurden abgelöst von den Jungen, die nur noch nach dem Wo und Wie fragen. – Form schlägt Inhalt.

Lebendig – lebhaft – leblos – lebend – belebt – belebend … Was man eine Wortfamilie nennt, kommt meist auch nicht ordentlicher daher als die Menschenfamilie. Da gibt es soviel an Widersprüchen, an Gegensätzen, an Schein. Sehe ich beispielsweise die Bäume des Waldparks vor mir, wie sie bei der Windstille dastehen als grüne Statuen, habe ich gleichzeitig dahinter das Wasser des Rheins im Blick, das eilig dahinschwappt. Das Lebende zeigt sich mir so tot, wie das Leblose sich mir lebhaft aufdrängt.

Ausnahmen bestätigen die Regel, sagt der Volksmund. Wie Recht er hat, zeigte sich jetzt, als sich herausstellte, dass das als Regel geltende Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen im Monat Mai in drei Nächten tatsächlich eingehalten worden ist. Die anderen Nächte dienten per Ausnahmegenehmigung zur Bestätigung der Regel.

Autobahn Saarbrücken – Paris: Du fährst und fährst, und das weite grün-kurzflorige Land sieht immer gleich aus. Sogar die Autobahn ist immer gleich, beinahe immer noch deutsch. Doch auf die Schilder, die vorbeigleiten, hat man immer andere Namen geschrieben, eine Region nach der anderen, ein Departement nach dem anderen, damit nicht der Eindruck von Eintönigkeit entsteht.

Rochefort-en-Terre gibt sich als das Rothenburg ob der Tauber der Bretagne. Zwar ist das Château geschlossen, doch dafür ist beinahe jedes vierte Haus ein Antiquitätenladen. Damit macht der Ort den Eindruck von Ausverkauf. Offenbar hat man allen Plunder aus den alten Bauten gesammelt, um ihn noch schnell zu verkaufen, ehe die Behausungen, an denen seit viel zu vielen Jahrzehnten kein Handschlag mehr getan wurde, über dem Kram zusammenbrechen.

Oh, Carnac! Natürlich reizt mich die Frage reizt, wozu man hier vor vier- bis achttausend Jahren diese Unmenge von Hinkelsteinen in langen parallelen Reihen aufgestellt hat, aber ich schicke mich darein, dass ich nichts weiß, nicht einmal, wozu man ebenfalls hier diese Unmenge von Wohnungen mit Blick aufs Meer gebaut hat, deren Augenlider fest geschlossen sind. – Ebbe, kein Wasser zu sehen.

In der Bretagne sind die Ortschilder und die Hinweise innerhalb der Orte zweisprachig: Französisch und Bretonisch. Für die gerade noch etwa 25 000 Menschen, die Bretonisch sprechen und ihr viel zu schnelles Verschwinden gern mit dem Scherz kompensieren: Frankreich ist ein kleines Land, eingeklemmt zwischen der Bretagne und Belgien.

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